Alle Menschen träumen. Manche Menschen erleben sogar bewusstes Träumen. Das nennt man luzides Träumen oder „Klartraum“. Man ist sich bewusst, dass man träumt – und kann den Traum dann selbst steuern.
Bewusstes Träumen: Nicht nur im REM-Schlaf
Wir träumen fast die ganze Nacht. Früher gingen Forscher:innen davon aus, dass der Mensch nur in REM-Schlaf-Phasen träumt – heute wissen wir, dass wir in allen Schlafphasen überwiegend bewusst sind, in verschiedenem Grade. Die Bewusstheit und die Intensität von Träumen nehmen zu, je länger die Nacht dauert.
Je weiter die Nacht fortschreitet, desto intensiver und plastischer werden unsere Träume, bis sie kurz vor dem Aufwachen in den letzten REM-Phasen der Nacht kaum noch vom Wachbewusstsein zu unterscheiden sind. Bewusstes Träumen (und übrigens auch am Tag) ist kein Ganz-oder-gar-nicht, sondern ein Kontinuum zwischen höchster Wachheit und tiefstem bewusstlosen Schlaf. Nachts durchlaufen wir dieses Kontinuum von einfachen Bewusstseinsformen bis hin zu vereinnahmenden Träumen. Die vielleicht höchste Form des nächtlichen Bewusstseins stellt der luzide Traum dar.
Im Tiefschlaf (also im sogenannten „Non-REM-Schlaf“, und hier vor allem in den Schlafstadien N3 und N4), der hauptsächlich in der ersten Nachthälfte auftritt, sind es vermutlich nur kurze Gefühle oder Erlebnisse, die sich mit bewusstlosen Phasen abwechseln. Da unser Gehirn hier noch nicht so gut Gedächtnisinhalte bilden kann, erinnern wir uns am nächsten Morgen nicht mehr daran. Weckt man Menschen in dieser Schlafphase auf, berichtet die Mehrheit, dass sie gerade etwas erlebt hat, oft aber ohne genau zu wissen, was (in der Schlafforschung als „weiße Träume“ bekannt).
Mit keiner anderen Tätigkeit verbringen wir so viel Zeit
Fast die ganze Nacht haben wir Gefühle, Gedanken, „proben“ Handlungen und haben Erinnerungen. Wir verarbeiten die Vergangenheit und bereiten uns auf die Zukunft vor. Vor allem tun wir aber eines im Traum: Wir lernen.
Da wir fast die ganze Nacht träumen, verbringen wir mit keiner Tätigkeit so viel Zeit in unserem Leben wie mit dem Träumen – manche Forscher gehen von durchschnittlich 2 Stunden pro Nacht aus, andere sogar von 6 Stunden! Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung träumt ein Mensch dann entsprechend 20 Jahre seines Lebens, sagt z.B. Stefan Klein in seinem Buch „Träume“. Zählt man die Tagträume noch hinzu, mit denen wir Forscher:innen zufolge mehr als 50% unserer wachen Zeit verbringen (z.B. wenn wir uns etwas vorstellen, das nichts mit dem gegenwärtigen Hier und Jetzt zu tun hat), dann träumen wir sogar mehr als wir schlafen – in keine andere Tätigkeit investieren wir im Leben so viel Zeit wie ins Träumen.
Warum können wir uns so selten an Träume erinnern?
Erinnern können wir uns nur an einen Bruchteil der Träume, die wir erleben. Das liegt einerseits daran, dass zu Beginn der Nacht das Gehirn noch nicht so gut Gedächtnisinhalte bilden kann – unser Erleben wird also nicht gespeichert, und daher wissen wir am nächsten Morgen (oder auch schon nach einem nächtlichen Aufwachen) nichts mehr davon. Je näher die Träume an der Aufstehenszeit liegen, desto einfacher und häufiger können wir sie erinnern – daher ist uns oft der letzte Traum einer Nacht, der rüde vom Wecker abgebrochen wurde, noch gut bewusst, zumindest für wenige Minuten, solange wir noch im Bett liegen bleiben und den Traum gut erinnern können.
Man kann die eigene Traumerinnerung trainieren wie eine Fähigkeit – sodass man schon bald mehr Träume erinnern wird. Das geht z.B. mit einem Traumtagebuch, in dem man jedes Mal nach dem Aufwachen die aktuellen Erinnerungen an die Träume der Nacht niederschreibt. Man könnte den Schlaf auch einfach künstlich unterbrechen, mehrmals pro Nacht, und sich so an mehr Träume erinnern – denn je länger der Traum nach dem Aufwachen zurückliegt, desto schlechter kann man sich an ihn erinnern.
Wie schnell vergeht die Zeit im Traum?
Die Zeitwahrnehmung verändert sich beim Schlafen: Zum einen gibt es kein bewusstes Zeitempfinden im Tiefschlaf. Zum anderen verändert sich auch in den anderen Schlafphasen das Zeitempfinden: Traumzeit wird als länger empfunden als die Zeit im Wachzustand – träumen wir also 10 Minuten lang, kann sich der Traum subjektiv also durchaus angefühlt haben, als sei er sehr viel länger gewesen.
Exkurs: REM-Schlaf, Tiefschlaf und Schlafzyklen
Wir erleben in einer Nacht verschiedene Arten von Schlaf. Die wichtigste Unterscheidung ist die zwischen REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf.
Der REM-Schlaf (englisch: Rapid Eye Movement) erhält seinen Namen dadurch, dass sich in dieser Schlafphase die (geschlossenen) Augen des Schlafenden sich schnell hin und her bewegen. Beim Non-REM-Schlaf fehlen solche Augenbewegungen.
Diese zwei Schlafarten wechseln sich in der Nacht immer wieder ab, und zwar in mehreren Schlafzyklen von jeweils etwa 90 Minuten, wobei sich das Verhältnis innerhalb eines Zyklus im Laufe der Nacht ändert. In der ersten Nachthälfte findet hauptsächlich der tiefe Non-REM-Schlaf statt; es gibt nur wenig REM-Schlaf. In der zweiten Nachthälfte gibt es dann immer mehr REM-Schlaf und der Anteil des Non-REM-Schlafs nimmt ab.
Die Funktionen der einzelnen Schlafphasen lassen sich wie folgt beschreiben: Der Non-REM-Schlaf dient der Reflexion (Speicherung und Stärkung der Dinge, die wir am Tag gelernt haben). Der REM-Schlaf dient dann der Integration (Verknüpfung dieser Informationen mit früheren Erfahrungen und Entwicklung von Problemlösungen).
Warum träumen wir überhaupt?
Dass wir träumen, ist eine angeborene Funktion unseres Gehirns. Das ist vermutlich auch bei vielen Tieren so.
Lange Zeit gingen Neurowissenschaftler:innen davon aus, dass Träume lediglich „Nebenwirkungen“ der REM-Schlafphase ohne eigenen Sinn sind. Diese These gilt heute als überholt. Tatsächlich erfüllt nicht nur der REM-Schlaf, sondern auch das Träumen einen Zweck. Die drei wichtigsten Funktionen sind:
- Verarbeitung belastender Erlebnisse
- Verbesserung unserer Fähigkeit, die Gesichtsausdrücke anderer Menschen richtig zu deuten
- Förderung unserer Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten
Träumen ermöglicht Problemlösungen – das Gehirn sucht dabei insbesondere abwegige, kreative und innovative Ideen!
Beim nächtlichen Träumen geht es um die Integration von neuem Wissen in altbekanntes Wissen. Dadurch kann oft eine neuartige Lösung für ein bisher nicht lösbares Problem gefunden werden.
Damit wir unsere Träume nicht ausagieren können, lähmt unser Gehirn den schlafenden Körper übrigens für die Zeit des Träumens. Bis auf die Augen (Stichwort: REM) sind unsere Muskeln allesamt gelähmt, damit wir nicht wild um uns schlagen, wenn wir von einem Kampf träumen.
Bewusstes träumen lernen
Wenn du bewusstes Träumen lernen möchtest, schau dir meine Anleitung zum luziden Träumen an. In diesem PDF erkläre ich dir, was du tagsüber tun kannst und wie du nachts vorgehen musst, um häufiger luzide zu träumen. Eine uralte Plattitüde bekommt hier endlich mal ein bisschen Substanz: Lebe deinen Traum 😉