Empathie wird definiert als die Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen. Dabei werden die Gefühle, Gedanken und Motive einer anderen Person korrekt erkannt und nachempfunden. In der Alltagssprache nennt man dies auch „Einfühlungsvermögen“ oder umschreibt es metaphorisch mit „Hineinversetzen“ oder „die Welt aus den Augen des anderen sehen“. Die Bedeutung von Empathie lässt sich kaum überschätzen. Sie bildet die Grundlage eines gelungenen Umgangs mit unseren Mitmenschen und ist essenziell für erfolgreiche Kommunikation.
Empathiefähigkeit
Es gibt einige Menschen, die über sich selbst sagen, dass sie keine Empathie besitzen, also nicht empathiefähig sind. Andere hingegen scheinen genau das Gegenteil zu haben: zu viel Empathie. Sie fühlen zu stark mit anderen mit und leiden entsprechend darunter. Unabhängig von der eigenen Ausgangslage gilt aber: Man kann Empathie lernen und das eigene Empathievermögen steigern.
Kognitive Empathie
Es gibt verschiedene Formen von Empathie, d.h. unterschiedliche Weisen, einen anderen Menschen zu verstehen. Meint man mit „verstehen“ einen intellektuellen Prozess, dann kann man von „kognitiver Empathie“ sprechen – das ist dann die Fähigkeit, durch die Anstrengung des eigenen Verstandes und Abstraktionsvermögens zu verstehen, welche Gefühle die andere Person gerade erlebt, welche Gedanken sie vielleicht hat und wie sie sich als Resultat verhalten wird. All das kann man mit kognitiver Empathie erkennen, ohne selbst diese Gefühle zu fühlen oder diese Gedanken zu haben.
Oft hat kognitive Empathie eine fast schon argumentativ-logische Form: „Diese Person hat gerade A erlebt. Ich weiß auch meiner eigenen Erfahrung, oder aus der Erfahrung mit anderen Menschen, dass Menschen, die A erleben, sich B fühlen, C denken und daher D tun werden.“
Emotionale Empathie (lernen)
Emotionale Empathie ist auch eine Form des Verstehens. Der Zugang ist hier allerdings nicht intellektuell, sondern affektiv oder intuitiv. Wir können andere gut verstehen, wenn wir ihre Emotionen nachempfinden. Dazu brauche ich mein logisches Denken nicht zu aktivieren. Wenn ich jemanden sehe, der Liebeskummer hat, und mir in dem Moment einfällt, wie es mir ging, als ich das letzte Liebeskummer hatte, dann spüre ich in diesem Moment diese Emotion wieder, zumindest in geringer Intensität. Oder wenn ich mir in diesem Moment vorstelle, mein Partner würde mich verlassen, dann habe ich vielleicht einen schnellen Zugang zu genau diesem Gefühl – und dann verstehe ich den anderen Menschen, ganz intuitiv.
Empathievermögen bei Psychopathen
Es gibt Menschen, die sind zwar zur kognitiven Empathie fähig, aber nicht zur emotionalen Empathie. Das ist z.B. bei Psychopathen der Fall: Sie können sich auf abstrakte Weise erschließen, was in der anderen Person gerade vorgeht, sie können erkennen, dass jemand gerade Schmerzen hat; aber sie erleben diese Vorgänge nicht in sich selbst, d.h. sie bleiben emotional unbetroffen im Anblick des Leidens anderer.
Was verhindert eigentlich Empathie?
Das größte Problem auf dem Weg zu mehr Empathie ist das eigene Selbst. Allerdings geht es hier nicht um einen Mangel an Fähigkeiten, sondern um eine mangelnde Bereitschaft, sich mit den eigenen Schattenseiten und Abwehrmechanismen zu beschäftigen.
Denn Empathie fällt uns ja gerade dort schwer, wo eine andere Person etwas tut, was uns so gar nicht in den Kram passt. Das Verhalten eines anderen Menschen kann uns sogar richtig wütend machen. In solche einer Situation gelingt es mir oft nicht, mich in den anderen hineinzufühlen. Aber genau dann wäre es doch so wichtig!
Was mir hier im Weg steht, bin ich selbst – mein Trotz, mein Stolz, mein Selbstbild. Das verhindert, dass ich einen Perspektivenwechsel mache. Es sind nicht die Fähigkeiten, die mir dazu fehlen. Es ist der Wille.
Wenn ich andere nicht verstehe, dann liegt das fast immer an mir. Und das liegt wiederum fast nie an mangelndem Einfühlungsvermögen, sondern an mangelnder Bereitschaft, den eigenen Trotz und Stolz zu überwinden.
Gerade in schwierigen Situationen ist die wichtigste Voraussetzung für Empathie, dass ich mich dazu durchringe – dem eigenen Trotz zum Trotz –, die Perspektive des anderen einzunehmen. Das ist natürlich einfacher gesagt als getan, wenn ich mich gerade mitten in einer heftigen Auseinandersetzung oder einem handfesten Beziehungsstreit befinde.
Empathie lernen – worauf kommt es an?
Das Wichtigste ist, sich selbst nicht im Weg zu stehen. Es geht nicht um Techniken, sondern um eine innere Haltung. Ich muss bereit sein, mich auf eine Andersheit einzulassen. Ich muss akzeptieren, dass andere Menschen anders auf die Welt blicken als ich – und auch ein anderes Bild von mir haben als ich selbst habe. Wenn ich damit fein sein kann, von anderen anders gesehen zu werden als ich mich selbst sehe, ist das größte Hindernis auf dem Weg zu mehr Empathie überwunden.
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