Das vielleicht wichtigste Buch zum Thema „Menschen beeinflussen“ stammt von einer wahren Autorität auf diesem Gebiet, Robert Cialdini. In „Influence: The Psychology of Persuasion“ beschreibt der amerikanische Psychologe die sechs wichtigsten Prinzipien, mit denen man Menschen beeinflussen kann.
1. Reziprozität („Wie du mir, so ich dir“)
Wenn ich etwas von anderen Menschen haben möchte, könnte ich ja einfach fragen. Wenn man das Prinzip der Wechselseitigkeit aber nutzen möchte, um meine Chancen zu verbessern, dann sollte ich vorher ihnen vorher ein Geschenk machen. Denn dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich auch bekomme, worum ich bitte. Das liegt daran, dass wir ein starkes Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Gleichberechtigung in uns tragen.
Wenn uns jemand etwas schenkt, wollen wir etwas zurückgeben. Das gilt insbesondere dann, wenn das Geschenk unerwartet und vor allem personalisiert war. In Experimenten konnte gezeigt werden, dass sich die Trinkgelder für Kellner erhöhen, wenn die Kellner dem Gast ein kleines Stück Schokolade schenken. Wenn das Geschenk personalisiert war – z.B. “ganz speziell für Sie, weil Sie ein so angenehmer Gast waren, gibt es sogar zwei Stück“ – erhöhten sich die Trinkgelder noch mehr. Wer anderen also ein unerwartetes und persönliches Geschenk gibt, der hat eine bessere Chance, seinen eigenen Wunsch vorzutragen und erfüllt zu bekommen.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Wenn du etwas von anderen willst, mache ihnen vorher ein unerwartetes, persönliches Geschenk.“
2. Commitment und Konsistenz („Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“)
Menschen haben ein sehr starkes Bedürfnis, ein stimmiges Selbstbild und eine widerspruchsfreie Identität aufrechtzuerhalten. Deswegen werden sie viel daransetzen, mögliche Widersprüche oder Inkonsistenzen zu verhindern, zu verdrängen oder zu verleugnen.
Wer an diesem Hebel ansetzt, wenn er Menschen beeinflussen will, kann sich dieses Prinzips recht einfach bedienen: Erst bittet man die andere Person um einen klitzekleinen Gefallen, den sie nicht ausschlagen kann. Und danach und einen großen. Weil die Person eine Konsistenz aufrechterhalten möchte, wird sie eine erhöhte Bereitschaft mitbringen, diesen großen Wunsch ebenfalls zu erfüllen. Denn mit der Erfüllung des ersten Wunsches hat sie ihre Identität ein Stück weit festgelegt: Ich bin jemand, der einer Person wie dieser einen Gefallen tut. Und wenn man das beim zweiten Mal dann nicht mehr tut, würde das diese Identität infrage stellen.
Die Crux dabei ist: Wäre man sofort mit dem „großen“ Wunsch ins Haus gefallen, hätte man schlechtere Chancen auf eine Erfüllung dieses Wunsches gehabt. Erst der kleine Gefallen bringt das Prinzip „Commitment und Konsistenz“ ins Spiel.
Das gilt z.B. auch für Wohltätigkeit. Nicht alle Menschen sind bereit, sofort einen Geldbetrag für eine gute Sache zu spenden. Wer aber vorher eine Petition gegen Tierquälerei unterzeichnet hat, der wird später viel eher auch einen Geldbetrag spenden.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Bitte erst um einen kleinen Gefallen und sichere dir das Commitment der anderen Person. Später kannst du dann um einen großen Gefallen bitten.“
3. Soziale Bewährtheit („Die Mehrheit hat immer recht“)
Wie stark das Verhalten anderer Menschen unser eigenes Verhalten bestimmt, kann man vor allem bei Heranwachsenden beobachten: Wer kenn ihn nicht, den „Gruppenzwang“?
Gesellschaftskritisch wie eh und je, bringt eine Folge der „Simpsons“ schön auf den Punkt, dass wir Verhalten nachahmen, das uns vorgelebt wird:
Bart: But mom, Milhouse’s doing it.
Marge: If Milhouse jumped off a cliff would you do it?
Bart: Milhouse jumped off a cliff? I’m there!
Das Prinzip „soziale Bewährtheit“ kann man vor allem dort beobachten, wo man gezielt Menschen beeinflussen will, nämlich in der Werbung. Ob wir bei Amazon nun diesen Kochlöffel oder doch lieber den anderen kaufen, entscheiden wir nicht selten aufgrund der „positiven Bewertungen“. Wenn es sie bei anderen bewährt hat, wird es ein gutes Produkt sein.
Deshalb liest man in der Bewerbung einer Tageszeitung oder Zeitschrift auch oft „Join our 100,000+ subscribers“. Wenn so viele Menschen diese Zeitung abonniert haben, muss doch da etwas dran sein.
Als Wahrheitsprinzip taugt das natürlich überhaupt nicht. Frag doch in der Fußgängerzone mal 100 Leute, wie man „Spontaneität“ oder „du hältst“ korrekt buchstabiert. Oder was „2 plus 2 mal 2“ ergibt. (Nur zur Sicherheit: mit „e“, mit zwei „t“ und „Punkt-vor-Strich ergibt 6“.) Die deutsche Vergangenheit und amerikanische Gegenwart sind nun auch keine besonders guten Belege dafür, dass die Mehrheit recht hat. Aber wer Menschen beeinflussen will, der möchte ja auch keine Wahrheitstheorien entwickeln, sondern nur den richtigen Hebel finden – und die „soziale Bewährtheit“ ist ein exzellenter Hebel.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Wenn du andere von etwas überzeugen willst, verweise auf möglichst viele andere Menschen, die bereits davon überzeugt sind.“
4. Sympathie („Dein Lächeln ist ein überzeugendes Argument“)
Das Prinzip „Sympathie“ ist eine der wirksamsten Strategien, mit denen man Menschen beeinflussen kann. Das liegt daran, dass sie fast unsichtbar ist – wir bemerken sie kaum.
Statistisch gesehen kaufen Menschen z.B. eher ein Auto bei einem Autoverkäufer, den sie mögen. Das ist unabhängig vom Preis oder Modell. Deswegen ist es eine der wichtigsten Aufgaben eines jeden Verkäufers, erstmal eine gute, angenehme Gesprächsatmosphäre herzustellen. Auf dieser Basis kann man Menschen beeinflussen – und fast alles verkaufen.
Sympathie kann man z.B. dadurch herstellen, dass man Gemeinsamkeiten zwischen sich selbst und der anderen Person herausarbeitet. Wenn ein Dortmund-Fan auf einer Party einen anderen Dortmund-Fan kennenlernt, verstehen sich beide in der Regel sehr gut. Wenn jemand anderes mein Lieblingsbuch in höchsten Tönen lobt, macht ihn das in meinen Augen sofort sympathisch. Das Ganze kann man dann noch mit dem einen oder anderen Kompliment abrunden.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Bevor du andere um etwas bittest, stelle sicher, dass sie dich mögen. Stelle dazu Gemeinsamkeiten heraus und verteile Komplimente.“
5. Autorität: („Yes, sir!“)
Menschen sind eher bereit, einer Forderung nachzukommen, wenn sie von einer Autorität kommt. Denn wir folgen Autoritäten und erfüllen ihre Erwartungen. Eine Autorität kann durch einen beruflichen Stand (Richterin, Polizist, Ärztin, Anwalt) oder eine soziale Position (Adel, Familienoberhaupt) entstehen. Aber auch Kompetenz schafft Autorität. Menschen mit Professoren-Titel haben in dieser Hinsicht einen Autoritätsvorsprung.
Alternativ kann man sich auch einfach als Experte ankündigen lassen. Oder man ernennt sich direkt selbst zur Autorität: „Ich gelte als international anerkannter Experte für …“ – eine fast schon beschämende Selbstbeschreibung.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Wenn du deiner Meinung Gewicht verleihen willst, präsentiere dich als Autorität – oder lass dich von anderen als Experte vorstellen.“
6. Knappheit („Nur noch 3 E-Books auf Lager!“)
Gutes ist knapp. Das war über hunderttausende von Jahren eine Grundwahrheit für uns Menschen. Alles, was uns geholfen und gutgetan hat, war damals zu wenig da. Essen war knapp. Wasser war knapp. Wärme war knapp. Schutz war knapp.
Auch im Handel bemerkt man dieses Prinzip: Je mehr Menschen etwas kaufen möchten bzw. je weniger Produkte verkauft werden können, desto höher der Wert, desto höher der Preis. So (oder so ähnlich) funktioniert auch die Börse.
Deshalb hat sich in unserem Kopf eine starke Assoziation geformt: knapp = wertvoll. Und dieses Prinzip kann man nutzen, wenn man Menschen beeinflussen will, z.B. zu einem Kauf zu bewegen. Sobald Menschen das Gefühl haben, dass etwas eine knappe Ressource ist, steigt die Kaufbereitschaft stark an. Wenn es nur noch 3 Karten für ein Konzert gibt, schlagen Menschen schneller zu als wenn es noch 300 gibt.
Das nutzt man in der Werbung und im Verkauf. Entweder gilt ein Angebot „nur bis 31. Dezember“ – damit wird eine Knappheit der Zeit hergestellt, das Produkt ist nicht beliebig lange zu diesen Konditionen erhältlich. Oder das Produkt selbst wird knapp gemacht – „limited edition“, „nur noch wenige Plätze verfügbar“, usw.
Erinnerst du dich noch an das Flugzeug-Unglück der Concorde? Nach diesem Absturz kündigte die Fluglinie „British Airways“ schon bald das Ende der Concorde an. Nach dieser Nachricht explodierte der Ticketverkauf förmlich: „Jetzt oder nie“ ist ein mächtiger Motivator.
Es gibt tatsächlich Menschen, die das auch für digitale Produkte nutzen – und uns offenbar für dumm verkaufen. Wenn von einem E-Book nur noch „5 Exemplare erhältlich“ sind, dann fragt man sich doch, ob hier noch mit sauberen Mitteln gespielt wird. Aber: Es scheint zu funktionieren, so stark ist dieses Prinzip der Knappheit.
Das kann man übrigens auch in der Partnerwahl beobachten: Die Frau, auf die alle Männer stehen, ist viel interessanter als ihre ebenso hübsche Freundin, die aber aktiv auf der Suche ist und Interesse signalisiert. Wer verfügbar ist, scheint nicht sehr gefragt zu sein. Das macht unattraktiv. Das scheint auch der Grund zu sein, warum die Strategie „erst nach 3 Tagen melden“ doch ganz gut funktioniert. Man signalisiert, dass man ein knappes Gut ist. Ob man seinen zukünftigen Lebenspartner direkt am Anfang einer Beziehung schon derart manipulieren will, sollte gut überlegt sein – ein guter Grundstein für eine ehrliche, aufrichtige Partnerschaft ist das nicht.
So kannst du dieses Prinzip nutzen
„Wenn du etwas für andere interessant machen willst, dann sorge dafür, dass es als äußerst knappes Gut wahrgenommen wird.“
Beeinflussung verhindert Begegnung
So hilfreich all diese Techniken sind, mit denen man Menschen beeinflussen kann – es geht auch eine große Gefahr von ihnen aus. Wer Menschen zu etwas bringt, das sie ohne die Beeinflussung nicht getan hätten, der hat sie manipuliert. Und damit gezeigt, dass er wenig Respekt vor der Selbstbestimmung und Individualität dieser Person hatte. Das kann im Verkauf durchaus Sinn machen – und vielleicht auch, wenn es um Anti-Raucher-Kampagnen geht.
Aber sobald ich Menschen derart instrumentalisiere, verhindere ich, wirklich mit Menschen in Kontakt zu kommen und Empathie aufzubauen. Der Wunsch, die andere Person zu verändern, ist von vorneherein eine Absage an die Beziehung, eine Absage an die Individualität des anderen. Tiefgehende Beziehungen entstehen nur dort, wo Menschen das Gefühl haben, dass sie so akzeptiert werden, wie sie sind. Wenn sie es mit einem ehrlichen und aufrichtigen Gegenüber zu tun haben, der keine falschen Absichten hat. Genau dann findet ein ehrlicher, offener Austausch statt. Dann kommt es zu echten Begegnungen.
Wenn wir andere Menschen hingegen manipulieren und an ihnen herumwerkeln, dann erhalten wir genau das: Einen dressierten Affen, der so berechenbar ist wie ein Automat. Das hilft vielleicht, wenn die Person meine Anweisungen befolgen soll. Aber es bringt mir nichts, wenn ich wirklich tiefgehende menschliche Beziehungen suche.
Denn wir wünschen uns ja nicht eine erzwungene Liebe von unserem Partner, sondern eine aufrichtige Liebe – und die gibt es nur freiwillig. Erzwungene Liebe kann man kaufen – oft mit Geld, manchmal auch mit anderen Druckmitteln. Das führt dann vielleicht auch zu einer gut inszenierten Illusion von Liebe. Die Aufrichtigkeit und Freiwilligkeit hingegen, die wir uns tief im Herzen wünschen, lässt sich nicht erzwingen – auch nicht mit den besten Einfluss-Strategien der Welt.
E-Book Empathie