Als „Oneironaut“ definiert man eine Person, die gezielt Klarträume erleben und gestalten kann (von altgriechisch ὄνειρος [oneiros] = „Traum“, und ναύτης [nautēs] = „Seefahrer“).
Ein „Klartraum“ ist ein Traum, in dem sich die träumende Person bewusst ist, dass sie träumt, und den Traum dann nach ihren Wünschen gestalten kann. Das wird auch als „luzides Träumen“ bezeichnet.
Wer ein Oneironaut werden, d.h. lernen möchte, im eigenen Traum aufzuwachen, kann sich meine Anleitung dazu ansehen. Im Folgenden soll es um die wichtigsten Stationen in der Geschichte des luziden Träumens gehen.
Geschichte des luziden Träumens (Übersicht)
- In der westlichen Welt erwähnt Aristoteles (384-322 v. Chr.) wohl als erster das luzide Träumen (wenn auch nicht unter diesem Begriff).
- Im Buddhismus reichen die Anfänge des luziden Träumens wohl noch sehr viel weiter zurück, vermutlich einige tausend Jahre. Dokumentiert ist z.B. das „Traumyoga“ in den „Sechs Yogas des Naropa“ im 11. Jh. – eine frühe Version des „luziden Träumens“.
- 1867 schreibt Léon d’Hervey de Saint-Denys die erste systematische Arbeit über Träume und Traumkontrolle.
- Sigmund Freud erwähnt luzides Träumen am Rande seiner Traumdeutung (1899), verfolgt das Thema aber nicht weiter.
- Frederik Willems van Eeden prägte 1913 als Erster den Begriff „Lucid Dream“.
- Keith Hearne gelingt 1975 der erste wissenschaftlicher Nachweis der Existenz von luziden Träumen mittels Augenbewegungsmuster, über die ein luzide Träumender während des Traums mit der Wachwelt kommuniziert.
- Unabhängig von Hearne gelingt Stephen LaBerge wenige Jahre später ebenfalls der Existenznachweis von luziden Träumen. LaBerge promoviert über das luzide Träumen und wird neben Paul Tholey zum wichtigsten Pionier der Klartraumforschung, forscht jahrzehntelang an der Stanford University und entwickelt eine der wichtigsten Techniken zur Induktion eines luziden Traums (das sogenannte „MILD“).
- Paul Tholey (Braunschweiger Professor für Sportpsychologie) wird zum bekanntesten deutschen Klartraumforscher prägt 1977 den Begriff „Klartraum“ als Übersetzung von Lucid Dream. Tholey hat selbst Bewegungsabläufe von Sportarten in seinen luziden Träumen geübt und wurde dadurch sehr geschickt (z.B. beim Einradfahren oder Snowboarden).
- Daniel Erlacher, ein Schüler Tholeys, erforscht noch heute an der Universität Bern das Training von Bewegungsabläufen im luziden Traum, speziell mit Hochleistungssportler:innen.
- Seit einigen Jahrzehnten sind immer wieder Versuche gestartet worden, durch technologische Geräte luzide Träume herzustellen. Frühe Geräte sendeten als „Schlafmasken“ optische Signale auf die geschlossenen Augen, die die träumende Person daran erinnern sollten, dass sie träumt. Spätere Geräte konnten sogar REM-Phasen feststellen und solche Signale zeitlich gezielt senden. Der neuste Trend geht in Richtung elektrische Stimulation von gewissen Gehirnbereichen in einer speziellen Frequenz, sollte aber aufgrund der Risiken derzeit nur in klinischen Studien eingesetzt werden.
- Mit der Corona-Krise erfreut sich das Thema luzides Träumen seit 2020 größerer Beliebtheit.
Oneironautik: Die Zukunft des luziden Träumens
Für die Zukunft des luziden Träumens ist sicher die Erforschung von technologischen Geräten zur Induktion luzider Träume zentral. In einigen Jahrzehnten werden wir vermutlich Geräte haben, die mit einer hohen Wahrscheinlichkeit luzide Träume induzieren können. Damit kann vielleicht jeder Mensch zum Oneironaut werden.
Weiterhin wird unser Wissen um psychoaktive Substanzen zunehmen, die luzide Träume wahrscheinlicher machen. Ob dies weiterhin vor allem cholinerge Substanzen sein werden (wie z.B. Galantamin), oder ob wir eine neue Substanzklasse entdecken, die das luzide Träumen einfacher macht, darüber lässt sich zurzeit nur spekulieren.
Es könnte sein, dass wir auf eine Zeit zusteuern, in der das luzide Träumen so „gewöhnlich“ und so weit verbreitet sein wird wie der Zugang zu Filmen (Netflix) oder Musik (Spotify). Werden wir bald nicht nur einen „Home Trainer“ zum Ausdauertraining, sondern auch einen für luzides Träumen haben? Es bleibt spannend.
Bis dahin werden wir auf erprobte Methoden zurückgreifen müssen, luzide Träume zu erzeugen. Im Grunde kann auch heute schon jede Person ein Oneironaut werden – wenn man bereit ist, die nötige Arbeit zu investieren. Denn diese Welt steht uns schon jetzt offen: zwar nicht mit Technologie, wohl aber mit den richtigen Bewusstseinstechniken können wir auch heute schon zuverlässig luzide Träume induzieren.