Was ist die REM-Phase?
Die REM-Phase ist ein Teil des menschlichen Schlafs. Sie ist eine der beiden Schlaf-Phasen, die wir jede Nacht durchlaufen.
Der Schlaf eines Menschen ist nicht monoton und konstant, sondern setzt sich aus verschiedenen Schlafphasen zusammen. Der Schlaf lässt sich zunächst in zwei Schlaf-Arten einteilen: REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf. Lediglich der Non-REM-Schlaf wird dann nochmals unterteilt, und zwar in verschiedene Schlaf-Stadien, die (wenig einfallsreich) N1, N2, N3 und N4 heißen. Insgesamt setzt sich der Schlaf also aus fünf Schlafstadien zusammen: dem REM-Stadium und den Stadien N1 bis N4, wobei die Tiefe des Schlafs von N1 (leichter Schlaf) bis N4 (sehr tiefer Schlaf) zunimmt.
Schlafstadien in der Übersicht
Schlafstadium | Erklärung |
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Schlafstadium N1 | Das Schlafstadium N1 ist die Übergangsphase von Wachsein zum Leichtschlaf. Deshalb ist es auch das erste Schlafstadium, in das ein Einschlafender eintritt. Es dauert meist nur 5 Minuten. Auf dem EEG sieht man dabei vor allem Theta-Wellen (4-7 Hz). Die Körpertemperatur beginnt zu sinken, die Muskeln entspannen sich, die Augen bewegen sich oft langsam hin und her. Im Schlafstadium N1 verliert man das Bewusstsein für die Umwelt, ist aber auch sehr leicht zu wecken. Kleine Irritationen oder leise Geräusche können den Schlafenden aus dieser Phase aufwachen lassen. |
Schlafstadium N2 | N2 ist das erste Stadium mit richtigem Schlaf – und dauert zwischen 10 und 25 Minuten. Insgesamt verbringt man aber 50% der Nacht in dieser Schlafphase. Dabei sind die Augen ruhig, der Puls und die Atmung sind langsamer als im Wachzustand. Auf dem EEG sieht man eine Kombination aus langsamen Gehirnwellen mit kurzen, etwa halb-sekündigen „Eruptionen“ von Aktivität – den sogenannten „Schlafspindeln“. Außerdem zeigt das EEG ein sogenanntes „K-complex”-Muster. Forscher gehen davon aus, dass dies dazu dient, dass wir aus diesem Schlafstadium schnell erwachen können. Spezielle Geräusche lassen K-Komplexe auf dem EEG erscheinen – z.B. wenn man den Namen der schlafenden Person flüstert. |
Schlafstadium N3 (+ N4) | Im N3-Stadium ist die tiefste Schlafphase, in der der Körper regeneriert und sich repariert. Auf dem EEG sieht man sehr langsame Gehirnwellen – die sogenannten Delta-Wellen. Daher heißt dieses Stadium auch “slow wave sleep” (oder “deep sleep“). Dabei wird die Atmung gleichmäßiger, der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz ist 20-30% niedriger als im Wachzustand. Die Blutzufuhr zum Gehirn nimmt ab, wodurch dieses etwas abkühlt. In dieser Schlafphase ist ein Mensch am schwersten zu wecken und reagiert nicht mehr so intensiv auf externe Reize. In manchen Terminologien wird diese Schlafphase nochmals unterteilt in N3 und N4. In anderen Terminologien ist N3 die tiefste und letzte Schlafphase. |
REM-Stadium | Um die 3- bis 5-mal pro Nacht treten wir dann in das REM-Stadium ein, das sich in etwa alle 90 Minuten wiederholt. Die erste REM-Phase der Nacht dauert meist nur wenige Minuten, aber mit jedem weiteren Zyklus steigt der REM-Anteil, sodass die letzte REM-Phase der Nacht ganze 30 Minuten dauern kann. Insgesamt verbringen Erwachsene 25% unseres Nachtschlafes im REM-Stadium. |
Schlaf-Zyklen | Im Durchschnitt durchläuft ein junger Erwachsener pro Nacht vier bis fünf Schlafzyklen. Der Tiefschlaf findet dabei vorwiegend in der ersten Nachhälfte statt, in der zweiten Nachthälfte dominiert dann der REM-Schlaf. Je älter wir werden, desto weniger Tiefschlaf und desto mehr Leichtschlaf bekommen wir. Dadurch wachen wir mit zunehmendem Alter auch häufiger auf. |
REM-Phase: Dauer und Häufigkeit
Um die 3- bis 5-mal pro Nacht treten wir dann in das REM-Stadium ein, das sich in etwa alle 90 Minuten wiederholt. Die erste REM-Phase der Nacht dauert meist nur wenige Minuten, aber mit jedem weiteren Zyklus steigt der REM-Anteil, sodass die letzte REM-Phase der Nacht ganze 30 Minuten dauern kann. Insgesamt verbringen Erwachsene 25% unseres Nachtschlafes im REM-Stadium.
Der REM-Schlaf wird auch als Traumschlaf bezeichnet, weil er mit unserem nächtlichen Träumen zusammenhängt. Der Non-REM-Schlaf wird hingegen oft als ruhiger Schlaf bezeichnet.
REM-Phasen pro Nacht | 3-5 |
Abstände | etwa alle 90 Minuten |
Dauer | erste Phase ca. 5 min., letzte Phase ca. 30 min. |
Anteil am Gesamtschlaf | 25% |
Spitzname | Traumschlaf |
Wenn man sich die Hirnaktivität im EEG anschaut, dann hat die REM-Phase viel mehr Ähnlichkeit mit dem Wachzustand als mit dem Tiefschlaf. Es gibt also innerhalb des Nachtschlafes eine große Bandbreite von Zuständen, die sich mitunter erheblich voneinander unterscheiden. Die REM-Phase ist dem Wachzustand deshalb so ähnlich, weil er mit dem Träumen zusammenhängt – und das Träumen ist sicher näher am Wachsein dran als am bewusstlosen Tiefschlaf. Man bezeichnet den REM-Schlaf daher auch als Traumschlaf.
Bestimmte Gehirnbereiche sind sogar um bis zu 30% aktiver als im Wachzustand. Daran kann man eine der wichtigsten Einsichten der Schlafforschung ablesen: Der Körper schläft, aber nicht das Gehirn. Deshalb wird der REM-Schlaf auch als paradoxer Schlaf bezeichnet (im Sinne von gleichzeitig wach und schlafend). Allgemein verbrauchen wir nachts fast so viel Energie wie tagsüber. Unser Gehirn arbeitet auch nachts auf Hochtouren.
Schlafzyklus
Neben dieser grundlegenden Unterscheidung zwischen REM- und Non-REM-Schlaf lässt sich letzterer nochmals in vier Schlafstadien unterteilen, die sich in der Tiefe des Schlafes unterscheiden. Die Tiefe des Schlafes kann man auch daran messen, wie schwer es ist, jemanden aus dem Schlaf aufzuwecken. Es gibt in Summe daher zwei übergeordnete Schlafarten und fünf Schlafstadien insgesamt:
Die beiden Hauptschlafarten wechseln sich in der Nacht immer wieder ab, und zwar in mehreren Schlafzyklen von je etwa 90 Minuten. Unser Schlaf verläuft also nicht linear und auch nicht monozyklisch, sondern wir durchlaufen mehrfach in der Nacht den gesamten Zyklus. Die grafische Darstellung unserer Schlafarchitektur nennt man Hypnogramm – oder einfacher: Schlafprofil.
Nach REM-Phase aufwachen: Schlafphasen-Wecker
Schlafphasen-Wecker versuchen sich eine wichtige Eigenheit des Schlafes zu nutzen zu machen: Wenn wir morgens ausschlafen und von allein wach werden, dann werden wir meistens am Ende einer REM-Phase wach. In diesem Stadium ist unser Gehirn schon „fast“ wach. Werden wir hingegen künstlich, also von einem Wecker aus dem Schlaf gerissen, könnte es sein, dass wir mitten in einer tiefen Non-REM-Schlafphase sind. In dieser Phase geweckt zu werden ist furchtbar und erschwert es enorm, aus dem Bett zu kommen.
Das Problem ist, dass die meisten dieser Schlafphasen-Wecker gar nicht zuverlässig messen können, in welcher Schlafphase wir gerade sind. Wenn überhaupt, müssen Schlafphasen-Wecker in ein System eingebunden sein, dass z.B. mittels EEG und EOG korrekt die einzelnen Schlafphasen identifizieren kann – dazu sind aktuell aber nur die recht teuren Schlaf-Tracker mit EEG möglich. Ein reiner Schlafphasen-Wecker, der nur mit Smartphone und App daherkommt, bringt diese Technologie nicht mit.
So verändern sich die Schlaf-Phasen in der Nacht
Allerdings sind die sich wiederholenden Zyklen nicht exakt gleich. Wir wechseln zwar alle 90 Minuten zwischen Non-REM- und REM-Schlaf, aber das Verhältnis innerhalb eines Zyklus ändert sich dabei. In der ersten Nachthälfte dominiert der tiefe Non-REM-Schlaf und es gibt nur wenig REM-Schlaf. In der zweiten Nachthälfte gewinnt dann der REM-Schlaf die Oberhand und es findet nur noch wenig Non-REM-Schlaf statt.
Das wiederum muss jeder im Hinterkopf haben, wenn er zu wenig schläft, z.B. weil er Schlafprobleme hat. Wenn man zwei Stunden zu wenig schläft, dann hat man nicht einfach nur 25% weniger Schlaf, sondern es fehlt überproportional viel REM-Schlaf, der ja hauptsächlich in der zweiten Nachthälfte zum Zuge kommt. Das hat ernsthafte Folgen für das Gehirn, denn Tiefschlaf allein reicht nicht aus. Schlafforscher Prof. Matthew Walker vergleicht dies mit unserer Ernährung: Wir brauchen sowohl Kohlenhydrate als auch Eiweiß und Fett. Wenn man sich auf Kohlenhydrate beschränkt, sieht zwar alles danach aus, dass man genug Kalorien zuführt, aber trotzdem treten dann Mangelerscheinungen und Gesundheitsschäden auf. Wie unsere Nahrungsstoffe erfüllen REM- und Non-REM-Schlaf verschiedene Funktionen für den Organismus und können einander nicht ersetzen.
Schlaf-Stadien – erkennt man an den Gehirnwellen
Für Forscher ist es keineswegs trivial, zweifelsfrei nachzuweisen, ob ein Mensch schläft oder nicht, weil man ja nur die Außenwelt des Schlafenden zur Verfügung hat und seine subjektiven Erlebnisse im Sinne der wissenschaftlichen Objektivität ausschließen muss. Woran erkennen Schlafforscher wie Walker also den Schlaf? Einwandfrei nachweisen lässt sich der Schlafzustand nur mit einer sogenannten Polysomnografie (PSG) – also eine Aufzeichnung (altgriechisch „graphein“: dt. „schreiben“) des Schlafes (lateinisch „somnus“) anhand mehrerer (altgriechisch „poly“) Signale. Dabei werden mit Hilfe von Elektroden die Aktivität (1) der Gehirnwellen, (2) der Augenbewegungen und (3) der Muskeln gemessen.
Im Schlaflabor bekommt man zur Messung also (mindestens, als Teil der PSG) ein EEG an den Kopf – d.h. Elektroden, welche die Gehirnwellen messen. Mit Hilfe dieser Wellen lässt sich von außen feststellen, in welcher Schlafphase sich jemand befindet – Wachzustand eingeschlossen.
Gehen wir die einzelnen Zustände einmal chronologisch durch – vom abendlichen Zähneputzen bis zum Tiefschlaf.
Im Wachzustand, d.h. vor dem zu Bettgehen, zeigt unser Gehirn hochfrequente Wellen mit 30-40 Hz, also 30 bis 40 Schwingungen pro Minute. Dabei ist der Rhythmus nicht nur schnell, sondern auch unregelmäßig: Man könnte auf diesen schnellen Beat nicht tanzen, weil er nicht vorhersagbar ist, als würde permanent jemand willkürlich an der Wiedergabegeschwindigkeit drehen.
Sobald man einschläft, ändern sich die Gehirnwellen: Nun ist ein Non-REM-Schlaf zu beobachten, zunächst in Stadien 1 und 2, dann wird der Schlaf immer tiefer und gelangt in die Stadien 3 und 4. Je tiefer der Schlaf, desto niedrigfrequenter ist er. Das heißt konkret, dass die Wellen langsamer werden und es nur zwei bis vier Schwingungen pro Minute gibt (also 2-4 Hz). Was sich aber nun auch verändert, ist der Rhythmus der Wellen: Auf diesen deutlich langsameren Beat könnte man nun einigermaßen gut tanzen, weil er regelmäßiger und verlässlicher ist. Was man hier sieht, ist eine gut abgestimmte Zusammenarbeit des gesamten Gehirns, eine Art „neuronales Synchronschwimmen“ der verschiedenen Hirnregionen oder ein „Gesangschor neuronaler Prozesse“. Diese niedrigfrequenten Hirnwellen dienen vor allem dazu, übertragungssicher die Erinnerungen des vergangenen Tages aus dem sehr begrenzten Kurzzeitspeicher in den umfangreicheren und stabileren Langzeitspeicher zu übertragen (so wie wenn ein Computer den Inhalt des kleinen Arbeitsspeichers auf eine große Festplatte überträgt).
Was einem Tänzer dabei aber schnell auffallen würde: Es gibt in diesem Takt immer mal wieder einen schnellen Triller – so wie wenn eine Katze schnell schnurrt. Das sind die Schlafspindeln, die häufig am Ende einer langsamen Welle auftreten (wie ein Fill-in am Ende einer Taktreihe beim Schlagzeugspielen). Schlafspindeln „fungieren unter anderem als nächtliche Soldaten, die den Schlaf schützen, indem sie das Gehirn von äußeren Geräuschen abschirmen. Je kräftiger und häufiger die Schlafspindeln, desto weniger reagiert ein Mensch auf äußere Geräusche, die den Schlafenden sonst wecken würden.“ (Walker 2018: 74)
Gelangt man im Schlaf dann schließlich in den REM-Schlaf, dann öffnet der Türsteher des Bewusstseins (das ist der Thalamus) das Tor – allerdings in anderer Weise als im Wachzustand. Im Wachzustand unterscheidet der Thalamus bei jedem Sinneseindruck: Du darfst rein; du darfst hier nicht rein. Sinneseindrücke, die eintreten dürfen, gelangen dann in den Kortex und werden bewusst wahrgenommen – egal, ob sie von innen oder von außen kommen. In der REM-Phase werden nun nur noch die eigenen Mieter reingelassen, also alle Reize, die innerhalb des Gehirns entstehen und nicht von außen kommen. Wie auf einer Theaterbühne inszeniert unser Gehirn dann unsere Emotionen, Motive, Erinnerungen und Erlebnisse in einem wilden Assoziationsrausch.
Die Funktionen der verschiedenen Schlafphasen
Die Funktionen der einzelnen Schlafphasen bringt Walker sehr gut auf den Punkt:
„In Bezug auf die Informationsverarbeitung können Sie sich den Wachzustand in erster Linie als Wahrnehmung vorstellen (Sie erleben Ihre Umwelt und lernen ständig dazu), den Non-REM-Schlaf als Reflexion (Speicherung und Stärkung der unverarbeiteten neuen Fakten und Fähigkeiten) und den REM-Schlaf als Integration (Verknüpfung dieser unverarbeiteten Informationen untereinander sowie mit allen früheren Erfahrungen und dadurch Aufbau eines noch genaueren Modells der Welt mit innovativen Erkenntnissen und Problemlösungsfähigkeiten).“ (Walker 2018: 79)
Der Traum: Lernen in der REM-Phase
Vier bis sechs Jahre unseres Lebens verbringen wir im Traum. An diese Zeit können wir uns aber zu einem Großteil nicht erinnern – nicht erst, wenn die Zeit vergeht, sondern bereits nach dem Aufwachen aus dem Traum. Das wiederum ist aber eine Frage der Übung: „Unsere Traumerinnerungsfähigkeit ist wie ein Muskel, den man trainieren kann!“ (Weeß 2018)
Mit einer zynischen Bemerkung eröffnet Schlafforscher Prof. Walker sein Kapitel zum Träumen:
„In der vergangenen Nacht waren Sie ungeheuer psychotisch. Und heute Nacht wird es wieder so sein. Bevor Sie diese Diagnose vehement abstreiten, möchte ich dafür fünf Begründungen liefern. Erstens haben Sie in der vergangenen Nacht im Traum Dinge gesehen, die gar nicht da waren – Sie haben halluziniert. Zweitens haben Sie Dinge geglaubt, die überhaupt nicht wahr sein konnten – Sie hatten Wahnvorstellungen. Drittens waren Sie sich über Zeit, Ort und Persönlichkeit nicht im Klaren – Sie waren desorientiert. Viertens erlebten Sie extreme Gefühlsschwankungen – in der Psychiatrie bezeichnet man das als affektive Labilität. Fünftens (und das ist das Schöne!) hatten Sie diese bizarren Traumerfahrungen heute Morgen beim Aufwachen größtenteils oder sogar voll und ganz vergessen – Sie litten unter Amnesie. Würde sich im Wachzustand eines dieser Symptome einstellen, würden Sie sofort einen Psychologen konsultieren.“ (Walker 2018: 267, Hervorhebungen im Original)
Im Traum fahren tatsächlich im Gehirn die emotionalen Zentren hoch, die rationalen hingegen runter. Daher kann es im Traum manchmal hoch her gehen – Naturgesetzte und Logik scheinen außer Kraft gesetzt.
REM-Phase: Das nächtliche Träumen
Der REM-Schlaf ist nicht die einzige Schlafphase, in der wir träumen. Wenn man den Begriff erweitert und unter Träumen jede geistige Aktivität versteht, an die sich eine Person nach dem Aufwachen erinnern kann, dann träumen wir in sämtlichen Schlafphasen. Simple Gedanken wie „Es regnet“ kann man mit geringer Wahrscheinlichkeit auch im Tiefschlaf haben. Das, was wir beim Einschlafen oder in der Aufwachphase träumen, beruht auf visuellen Eindrücken oder Bewegungen.
„Das jedoch, was wir gemeinhin als Träume bezeichnen – die halluzinogenen, motorischen, emotionalen und bizarren Erlebnisse mit einer komplexen Geschichte –, entsteht im REM-Schlaf, und viele Schlafforscher beschränken ihre Definition des echten Träumens auf das, was im REM-Schlaf geschieht.“ (Walker 2018: 268)
Den Übergang in die REM-Phase und in das Träumen kann man auf einem MRT (Gehirnscanner) gut beobachten: Plötzlich leuchten viele Teile des Gehirns auf, was auf eine gesteigerte Aktivität hinweist. Die emotionalen Zentren des Gehirns sind dabei um bis zu 30% aktiver als im Wachzustand. Auf dem MRT sieht man, dass die REM-Phase insbesondere „durch eine starke Aktivierung der visuellen, motorischen, emotionalen und für die autobiografische Erinnerung zuständigen Regionen des Gehirns bei gleichzeitiger relativer Deaktivierung der Bereiche charakterisiert ist, die rationale Gedanken steuern.“ (Walker 2018: 271)
Forschern ist es mittlerweile sogar möglich, am MRT die Form eines Traums abzulesen – ob er z.B. visuell oder motorisch ist –, ohne dass man die träumende Person dazu (im Anschluss) fragen muss. Sogar grundlegende Inhalte können die Forscher vorhersagen, also ob der Träumende z.B. von einem Mann oder einer Frau oder einem Auto träumt. Die konkrete Person oder das konkrete Automodell kann man derzeit aber noch nicht voraussagen. Es ist leicht zu sehen, dass dieser wissenschaftliche Fortschritt bald auch ethische Fragen aufwerfen wird.
Der Inhalt eines Traums
Die Annahme, dass der Inhalt eines Traums sich aus dem am Tag zuvor Erlebten ergebe, gilt mittlerweile als widerlegt – der Traum spiegelt nicht den Tag wider. Allerdings treten die primären Gefühle und Sorgen, die einen Menschen tagsüber beschäftigen, oft auch im Traum auf.
In diesem Zusammenhang konnte die Wissenschaft auf eine alte Behauptung Sigmund Freuds widerlegen: Der Traum verschleiert oder zensiert keine Themen, sodass man ihn decodieren müsste. Eine Maskierung der eigentlichen Themen findet im Traum nicht statt – er ist transparent und man benötigt keinen psychoanalytischen Übersetzer, um ihn zu verstehen. Wenn es einen roten Faden vom Wachzustand zum Traum gibt, dann findet man ihn in der primären Grundstimmung, die ein Mensch am Tag erlebt hat – und diese Stimmung kann jeder tagsüber unverhüllt wahrnehmen.
Allerdings besteht in der Forschung Einigkeit darüber, dass es keine Standard-Traumdeutungssymbole gibt. Vielmehr ist die Deutung eines Traums etwas, das nur der Träumer selbst vollziehen kann. „In der Psychotherapie stellt die Traumanalyse auch heute noch einen möglichen Zugang zu unbewussten psychischen Konflikten dar.“ (Weeß 2018)
Die Funktion der REM-Phase (Vom Sinn des Träumens)
Lange Zeit ist man in der Neurowissenschaft davon ausgegangen, dass Träume lediglich Begleiterscheinungen seien, die durch die REM-Phase entstehen. Demzufolge erfülle zwar die REM-Phase eine wichtige Funktion für den Organismus, aber die Träume wären dabei nur ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt, das eben entsteht, wenn im Gehirn derlei Prozesse ablaufen. Diese These gilt heute als überholt. Tatsächlich erfüllt nicht nur die REM-Phase, sondern auch das Träumen einen Zweck.
Die erste Funktion des Traums liegt in der Verarbeitung belastender Erlebnisse. Der Traum ist damit eine Art „Selbsttherapie“ des Gehirns und trägt zu unserer emotionalen und psychischen Gesundheit bei. Das liegt daran, dass im Traum ein stressbezogener Neurotransmitter vollständig fehlt: das Noradrenalin. Dieser Stoff ist rund um die Uhr in unserem Gehirn – außer in der Traumphase. Das ermöglicht es, dass wir vergangene, potenziell traumatische und belastende Ereignisse nochmals durchleben können ohne die überwältigenden Ängste und Emotionen aushalten zu müssen. Mit gutem Recht spricht Walker davon, dass nicht die Zeit alle Wunden heilt, sondern die Zeit, die wir im Traum verbringen.
Dazu reicht die REM-Phase alleine nicht aus. Und auch das generelle Träumen heilt noch keine emotionalen Wunden. Vielmehr muss es im Traum um die Emotionen des im Wachzustand erlittenen Traumas gehen. Nur solche inhaltlich spezifischen Träume tragen zur psychischen Genesung bei.
Die zweite Funktion des Träumens besteht in der Verbesserung unserer Fähigkeit, die Gesichtsausdrücke anderer Menschen richtig zu deuten. Das mag zunächst unspektakulär klingen, aber für Schlafforscher Walker ist dies die wichtigste Funktion des Traumschlafs, denn sie hat der Menschheit ein derart gut funktionierendes Zusammenleben ermöglicht, dass wir Kultur und Wissenschaft entwickeln konnten. Im Traumschlaf wird unsere Fähigkeit, kleinste und kürzeste Gesichtsregungen („Micro Expressions“) anderer Menschen richtig zu interpretieren, neu kalibriert – so wie wenn man eine Gitarre nachstimmt. Wenn dies nicht geschieht, hält man Freunde fälschlicherweise für Feinde – und umgekehrt.
Die dritte Funktion liegt in der Förderung unserer Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten. Im Traum werden nicht nur Informationen angesammelt, sondern wild miteinander vermischt, sodass etwas Neuartiges und Abstraktes entstehen kann.
„In der Traumphase sinnt Ihr Gehirn über ungeheure Mengen an erworbenem Wissen nach und ermittelt daraus allgemeingültige Regeln und Gemeinsamkeiten – die Quintessenz. Wenn wir aufwachen, verfügen wir über ein geändertes »gehirnweites Web«, dem Lösungen für Probleme einfallen, die uns zuvor unlösbar erschienen. Der Traum im REM-Schlaf wirkt auf die Informationen wie Alchemie.“ (Walker 2018: 299-300)
Diesem Prozess haben wir einige der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit zu verdanken – etwa die Erfindung des Periodensystems der Elemente, den Song „Yesterday“ der Beatles sowie das Pendant „Satisfaction“ der Stones, oder Mary Shelleys „Frankenstein“.
„Im Schlaf entstehen Verbindungen zwischen entfernt verknüpften Informationselementen, die tagsüber nicht offensichtlich sind. Unsere Teilnehmer [eines Experiments; H.W.] gingen mit den einzelnen Puzzleteilchen zu Bett und hatten beim Aufwachen das gesamte Bild fertiggestellt. Das ist der Unterschied zwischen Wissen (Speicherung individueller Fakten) und Weisheit (Erkennen der Gesamtbedeutung aus sämtlichen Fakten).“ (Walker 2018: 310)
Wie bei der Heilungsfunktion des Traums ist aber auch hier wichtig: Träumen allein reicht nicht, sondern der Traum muss thematisch spezifisch sein.
Im Grunde geht es beim Träumen um die Integration von neu Gelerntem (heute) in bestehendes Wissen (Lebenserfahrung). Oft entsteht dadurch eine neuartige Lösung für ein bisher nicht lösbares Problem.
Wir lernen im Schlaf – So funktioniert unser Gedächtnis
Schlaf fördert das Erinnerungsvermögen und das Gedächtnis. Das gilt für die Zeitpunkte vor, während und nach dem Lernen.
Muskellähmung im REM-Schlaf
Forscher können weiterhin am Muskeltonus – also an der Spannung, die ein Muskel aufweist – feststellen, ob sich eine Person im Non-REM oder im REM-Schlaf befindet. Auch ein im Wachzustand entspannter Muskel hat eine gewisse Restspannung, die sich gut messen lässt. Wenn man einschläft und in den Non-REM-Schlaf übergeht, dann lässt der Muskeltonus ein bisschen nach, ist aber weiterhin vorhanden.
Vor dem Übergang in die REM-Phase haben die Muskeln schlagartig überhaupt keine Spannung mehr, d.h. es gibt keinen Muskeltonus – und zwar über die gesamte Dauer der Traumphase hinweg. Dieses Phänomen bezeichnet man als Atonie und betrifft nur für unsere willkürliche Muskulatur, die wir aktiv ansteuern und bewegen können. Die unwillkürliche Muskulatur, die z.B. die Atmung steuert, bleibt natürlich weiterhin aktiv.
Durch die Atonie können wir das im Traum erlebte nicht mehr mit dem realen (schlafenden) Körper umsetzen. Es wäre nicht in unserem Sinne, wenn wir im Traum von einer Flucht träumen und dann in der realen Welt aufspringen und wegrennen – ohne zu sehen, wohin wir laufen. Und auch unser Partner würde sich beschweren, wenn wir die nächtlichen Traumkämpfe mit Monstern in Schläge und Tritte mit dem realen Körper umsetzen. Daher sorgt das Gehirn dafür, dass unsere willkürliche Muskulatur außer Kraft gesetzt ist und wir das Erlebte nicht motorisch umsetzen können. Unser schlafender Körper ist dann gelähmt.
Unsere Augen sind während der REM-Phase natürlich beweglich – von den schnellen Augenbewegungen hat diese Schlafphase ja ihren Namen. (Früher sind Wissenschaftler übrigens davon ausgegangen, dass sich in diesen Augenbewegungen der visuelle Fokus im Traum wiederspiegelt: Schaue ich im Traum nach rechts, zeigen auch meine schlafenden Augen nach rechts. Das hat sich jedoch als falsch herausgestellt.)
Literaturquellen
Walker, Matthew (2018): Das große Buch vom Schlaf. Die enorme Bedeutung des Schlafs – Beste Vorbeugung gegen Alzheimer, Krebs, Herzinfarkt und vieles mehr (Goldmann Verlag). Kindle-Version.
Weeß, Hans-Günter (2018): Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens. Kindle-Version.
10 Tipps für besseren Schlaf