Wir verbringen etwa 1/3 unseres Lebens im Schlaf. Wird ein Mensch 90 Jahre alt, hat er etwa 30 Jahre davon geschlafen. Wer das für eine Zeitverschwendung hält, sollte unbedingt weiterlesen. Ohne Schlaf kein Leben, und schon gar kein gesundes, zufriedenes und glückliches.
Trotzdem schlafen 2/3 der Erwachsenen in Industrienationen zu wenig. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diesen Schlafmangel zur Epidemie erklärt. Schlafmangel hat teils fatale Folgen für alle Bereiche des Organismus. Es ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen: Je kürzer man schläft, desto kürzer lebt man.
Schlafprobleme – unsere größte Gesundheitsgefahr
Ohne Übertreibung und mit nüchternem Blick auf die wissenschaftliche Datenlage kann man behaupten: Schlaf ist unser Gesundheitsproblem Nr. 1! Es gibt keinen anderen Bereich, der so viel Schaden anrichten kann, oder aber zu so viel positiven Effekten führen kann, wie unser Schlaf. Er ist wichtiger als Sport, gesunde Ernährung und Meditation.
Schlafmangel – die fatalen Folgen
Die negativen Folgen von Schlafmangel sind schwerwiegend in ihrer Wirkung und betreffen unzählige Bereiche unseres Lebens.
Schlaflosigkeit – macht krank und verkürzt das Leben
Matthew Walker, einer der weltweit führenden Schlafforscher, hat dies gut zusammengefasst. Er ist Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California, Berkeley, Direktor des dortigen Schlaflabors sowie ehemaliger Professor für Psychiatrie an der Harvard University. In seinem Standardwerk „Why we sleep“ (deutscher Titel: „Das große Buch vom Schlaf“) schreibt er:
Mittlerweile gibt es mehr als zwanzig umfassende epidemiologische Studien, die Millionen von Menschen über viele Jahrzehnte begleitet haben und allesamt den gleichen eindeutigen Zusammenhang bestätigen: Je kürzer man schläft, desto kürzer lebt man. Die hauptsächlichen Ursachen für Krankheiten und Todesfälle in Industrienationen – Krankheiten, die das Gesundheitssystem stark beanspruchen, zum Beispiel Herzleiden, Fettleibigkeit, Demenz, Diabetes und Krebs – hängen alle nachweislich mit einem Mangel an Schlaf zusammen. […] die unangenehme Wahrheit [ist], dass unzureichender Schlaf alle wichtigen physiologischen Systeme im Körper, das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel, das Immunsystem und das Fortpflanzungssystem, in vielfältiger Weise schädigt.“ (Walker 2018: 229-230, Hervorhebung durch H.W.; alle Seitenangaben zu diesem Werk auf dieser Website beziehen sich auf die Kindle-Version von: Matthew Walker – Das große Buch vom Schlaf, 2018)
Schlafen – der wichtigste Gesundheitsfaktor überhaupt
Als drei Säulen der Gesundheit gelten üblicherweise Bewegung, Ernährung und Schlaf. Für Prof. Matthew Walker gilt Schlaf aber „als überragende Größe in diesem gesundheitsrelevanten Dreigestirn“ (Walker 2018: 19-20). Schlaf sei nicht nur eine der drei Säulen, sondern die Basis, auf dem die Bewegung und Ernährung überhaupt eine positive Wirkung entfalten können. „Alle wichtigen Körpersysteme, das Gewebe und die Organe Ihres Körpers werden in Mitleidenschaft gezogen, wenn Sie nicht genug Schlaf bekommen. Wenn es Ihnen an Schlaf fehlt, kommt kein Aspekt der Gesundheit ungeschoren davon.“ (Walker 2018: 229-230) Demnach ist Schlaf der wichtigste Gesundheitsfaktor überhaupt.
Die Effekte von gutem Schlaf
Schlaf: Alles, was man darüber wissen muss (Grundlagen)
Schlaf ist ein faszinierendes, aber auch vielschichtiges Thema. Diese Seite verschafft einen schnellen und gleichzeitig tiefergehenden Überblick über das Thema – mit allem, was man über Schlaf und Schlafprobleme wissen sollte.
„Aus welcher Perspektive man es auch betrachtet, Schlaf scheint das dümmste aller biologischen Phänomene zu sein.“ (Walker 2018: 17)
Mit diesem süffisanten Zitat weist Schlafforscher Prof. Matthew Walker darauf hin, dass es für die Wissenschaft lange nicht klar war, warum wir überhaupt schlafen. Denn Schlaf hat – evolutionär betrachtet – vor allem erstmal einige große Nachteile für unsere Spezies.
Für unsere Vorfahren und ihr Leben in der Steinzeit brachte der Schlaf große Gefahren mit sich: Wer schläft, ist Feinden hilflos ausgeliefert, kann keine Nahrung suchen, kann nicht auf Partnersuche gehen, geschweige denn sich fortpflanzen, und man kann den eigenen Nachwuchs auch nicht beschützen.
Warum schlafen wir überhaupt?
Auf diese Frage hatte die Wissenschaft lange Zeit keine Antwort. Heute weiß man aber, dass der Schlaf eine ganze Reihe von Funktionen erfüllt, die diese Gefahren mehr als wett machen. Etwas, das so gefährlich ist wie Schlaf hätte sich in der Evolution niemals durchgesetzt, wenn er nicht absolut lebensnotwendig wäre.
Der gesamte Organismus profitiert vom Schlaf. Ein wichtiger Zweck des Schlafes ist die Gesundheit unseres gesamten Organismus (Immunsystem, Gehirn, jedes einzelne Organ, Psyche). Genau diese Gesundheit leidet unter Schlafmangel. Weiterhin spielen die Gehirnfunktionen eine herausragende Rolle – Schlaf fördert z.B. das Lernen, die Fähigkeit zu logischen Entscheidungen, soziale und emotionale Kompetenzen.
Die „innere Uhr“ (zirkadianer Rhythmus)
Wann wir schlafen und wach sein möchten, hängt vor allem von zwei Faktoren ab: unserer inneren Uhr (zirkadianer Rhythmus) und dem Schlafhormon Melatonin.
Wir alle haben eine innere Uhr. Sie hat fast einen 24-Stunden-Rhyhtmus, was wir aber normalerweise nicht bemerken, da unser Körper die Uhr immer wieder mit der Sonne abgleicht. In künstlichen Situationen, wo sich Menschen z.B. tagelang in ein fensterloses Labor einschließen und kein natürliches Licht zu Gesicht bekommen, kann man folgendes beobachten: Unser körpereigener Tagesrhythmus ist 15-60 Minuten länger als 24 Stunden. Daher auch das Fremdwort für unsere innere Uhr: Der zirkadiane Rhythmus kommt von lateinisch „circa“ (deutsch: um … herum) und „dies“ (deutsch: der Tag) ab.
Das Licht steuert auch unser Hormon Melatonin. Sobald es dunkel wird, steigt der Melatonin-Spiegel und sagt unserem Körper, dass es nun dunkel und bald Zeit zum Schlafen ist. Wenn es am nächsten Morgen wieder hell wird und die Sonne auf unsere (geschlossenen) Augen fällt, dann wird die Melatonin-Ausschüttung gehemmt. Dadurch erkennt unser Organismus, dass es nun Zeit zum Aufstehen ist – wir werden allmählich wach.
Morgen- und Abendmenschen (Eulen vs. Lerchen)
Obwohl wir alle einen fixen zirkadianen Rhythmus haben, sind die jeweiligen Startpunkte für Schlaf und Wachsein sowie die Zeitpunkte unserer maximalen Leistungsfähigkeit von Person zu Person unterschiedlich. Etwa 40% der Bevölkerung sind Morgenmenschen, 30% sind Abendmenschen, und die restlichen 30% liegen irgendwo dazwischen. Die verschiedenen Typen von Menschen werden als Chronotypen bezeichnet (von altgriechisch „chronos“; deutsch „die Zeit“). Manchmal nennt man sie auch Schlaftypen. Es ist wichtig, dass Menschen ein möglichst gut am eigenen Schlaftyp ausgerichtetes Leben führen. Denn Morgen- und Abendmenschen unterscheidet viel mehr als nur die Schlafenszeit.
Von wann bis wann schlafen die einzelnen Typen?
In Anlehnung an Schlafexperte Dr. Hans-Günter Weeß lässt sich folgende grobe Einteilung vornehmen (vgl. Hans-Günter Weeß, 2018: Schlaf wirkt Wunder: Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens. Kindle-Version; auch fortfolgend beziehen sich alle Verweise auf Weeß auf diese Publikation)
Schlaftyp | Anteil der Bevölkerung | Schlafenszeiten |
---|---|---|
Extreme Frühtypen | 15% | 22:00 – 06:00 Uhr |
Frühtypen | 30% | 00:00 – 08:00 Uhr |
Normal-/Mischtypen | 25% | 01:00 – 09:00 Uhr |
Spättypen | 15% | 02:00 – 10:00 Uhr |
Extreme Spättypen | 10% | 04:00 – 12:00 Uhr |
Schlafdruck
Neben der inneren Uhr gibt es einen zweiten Faktor, der steuert, wann wir wach sind und wann wir schlafen: der sogenannte Schlafdruck.
Je länger wir wach sind, desto mehr Schlafdruck entsteht. Jede Minute, die wir wach sind, wird der chemische Stoff Adenosin ausgeschüttet; sodass sich über viele Stunden hinweg eine hohe Konzentration ansammelt, was wiederum ein wachsendes Verlangen nach Schlaf zur Folge hat. Im Schlaf wird der Stoff dann abgebaut, sodass ein Mensch nach etwa acht Stunden Schlaf das gesamte Adenosin eliminiert hat.
Übrigens lässt sich das Adenosin auch unterdrücken. Das ist eine der Effekte von Koffein. Doch obwohl wir glauben, dass Koffein uns wacher und leistungsfähiger macht geht diese Rechnung am Ende nicht auf.
Schlafdauer: Wie viel Schlaf brauche ich?
Wenn die Folgen von Schlafmangel so verheerend sind, dann drängt sich mir förmlich die Frage auf, ob ich selbst eigentlich genug schlafe – und woran ich das festmachen könnte. Schlafforscher Matthew Walker warnt, dass man eine exakte Antwort nur nach einem Aufenthalt in der Schlafklinik beantworten könne.
Hans-Günter Weeß rät, die Antwort im nächsten längeren Urlaub zu suchen. Dort solle man den Wecker aus dem Schlafzimmer verbannen und sich mal richtig Zeit zum Schlafen nehmen. „In der ersten Woche bauen Sie wahrscheinlich erst einmal das alltags- und arbeitsbedingte Schlafdefizit ab und schlafen deutlich mehr als üblich. Erst in der zweiten Woche zeigt sich dann Ihre optimale genetische Schlafmenge. Jetzt wachen Sie jeden Morgen ohne Wecker zur selben Zeit auf und springen fit und ausgeschlafen aus dem Bett.“ (Weeß 2018)
Wenn die Folgen von Schlafmangel oder Schlafprobleme so verheerend sind, dann drängt sich mir förmlich die Frage auf, ob ich selbst eigentlich genug schlafe – und woran ich das festmachen könnte. Schlafforscher Matthew Walker warnt, dass man eine exakte Antwort nur nach einem Aufenthalt in der Schlafklinik beantworten könne.
Hans-Günter Weeß rät, die Antwort im nächsten längeren Urlaub zu suchen. Dort solle man den Wecker aus dem Schlafzimmer verbannen und sich mal richtig Zeit zum Schlafen nehmen. „In der ersten Woche bauen Sie wahrscheinlich erst einmal das alltags- und arbeitsbedingte Schlafdefizit ab und schlafen deutlich mehr als üblich. Erst in der zweiten Woche zeigt sich dann Ihre optimale genetische Schlafmenge. Jetzt wachen Sie jeden Morgen ohne Wecker zur selben Zeit auf und springen fit und ausgeschlafen aus dem Bett.“ (Weeß 2018)
Was aber ist, wenn ich grundsätzlich lange genug geschlafen habe (8 oder gar 9 Stunden), und mich am nächsten Tag trotzdem müde und kaputt fühle – und das Gefühl habe, Schlafprobleme zu haben? Dann könnte es sein, so Walker, dass ich an einer unbekannten Schlafstörung leide, von denen mehr als hundert bekannt sind; die häufigste Form ist die Insomnie, aber es gibt auch Atemstörungen wie die Schlafapnoe. In diesem Fall rät Walker, einen Arzt aufzusuchen. Er empfiehlt für eine erste Selbstdiagnose den Fragebogen SATED, der aus fünf Fragen besteht und den man z.B. beim Guardian findet.
Wie lange muss ein Mensch im Durchschnitt schlafen, um ausreichend versorgt zu sein? Das richtige Gleichgewicht zwischen Wachen und Schlafen scheint bei einem durchschnittlichen erwachsenen Menschen „bei etwa sechzehn Stunden Wachsein und etwa acht Stunden Schlaf zu liegen“ (Walker 2018: 358).
Deutsche schlafen im Durchschnitt hingegen nur sieben Stunden. Die Frage, ob dies genug ist, lässt sich für Somnologe Weeß nicht pauschal beantworten:
„Es muss so viel Schlaf sein, dass wir uns wach und ausgeschlafen fühlen und dabei optimalerweise ohne Wecker aufwachen. Uns Schlafexperten interessiert nicht, wie viel unsere Patienten nachts schlafen. Sondern wie es ihnen am Tag geht. Wenn sie sich wach und ausgeschlafen fühlen, sich gut konzentrieren können, emotional ausgeglichen sind und tagsüber nicht mit Müdigkeitsattacken kämpfen, dann war der Schlaf ausreichend. Das heißt, dass manche Menschen tatsächlich mit weniger Schlaf auskommen und andere mehr von diesem kostbaren Gut benötigen. Pauschale, für alle gültige Aussagen sind nicht möglich und auch nicht seriös, da die Schlafdauer zum Großteil genetisch festgelegt ist. Bei den meisten Menschen liegt das genetische Schlafbedürfnis zwischen sechs und acht Stunden.“ (Weeß 2018)
Gibt es auch Menschen, die mit viel weniger Schlaf auskommen?
Ja, meint Somnologe Weeß, dies sei für einige wenige Menschen möglich. Diese „Kurzschläfer“ zeigen typische Veränderungen im Gen D2C2 und kommen daher mit weniger Schlaf aus. Dabei haben sie genauso viel erholsamen Tiefschlaf wie „Langschläfer“, die wiederum durch die längere Schlafdauer mehr oberflächlichen Schlaf und auch mehr REM-Schlaf haben.
Empfehlungen zur Schlafdauer
Die US-amerikanische National Sleep Foundation hat im Jahr 2015 Empfehlungen zur idealen Schlafdauer (in Stunden pro Tag) in den verschiedenen Lebensphasen ausgesprochen, auch wenn man betonte, dass pauschale Aussagen schwer möglich sind.
Kann man auch zu viel schlafen?
Während bei zu wenig Schlaf (Schlafprobleme) etliche Gesundheitsrisiken in die Höhe schießen, scheint dies auch bei zu viel Schlaf der Fall zu sein. Wer mit Schlafmangel mehr schläft, reduziert seine Risiken für allerlei Gesundheitsgefahren – zumindest bis zu einer Schlafdauer von 8 oder 9 Stunden. Danach gehen die Risiken allerdings wieder nach oben, sodass ein Mensch, der zu viel schläft, nicht so gesund lebt wie ein Mensch, der in der goldenen Mitte liegt.
„Eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien lässt vermuten, dass zu viel Schlaf genauso mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen und einer reduzierten Lebenserwartung einhergeht wie zu wenig Schlaf. Es wird sogar vermutet, dass zu langer Schlaf die Stress- und Immunresistenz beeinträchtigt und dadurch Krankheiten gefördert werden. Daniel Kripke, bekannter amerikanischer Schlafforscher, war einer der Ersten, der 2004 zeigen konnte, dass die Sterblichkeit auch bei zu langem Schlaf zunimmt. Mit anderen Worten: Die Dosis macht das Gift.“ (Weeß 2018)
Wer so viel schläft, wie die Natur es fordert, der lebt allerdings gesund und lange. Wir sollten uns also keinen Schlaf vorenthalten, aber auch nicht länger schlafen, als es unser Körper benötigt.
Kann man sich Schlaf abgewöhnen?
Nicht jeder Mensch benötigt dieselbe Menge an Schlaf. Dieser Umstand ist genetisch bedingt und für eine Person nicht veränderbar, auch nicht mit hartem Training oder Umkonditionierung. Es wäre natürlich schön, wenn sich Personen mit hohem Schlafbedürfnis sich den langen Schlaf abgewöhnen könnten. Aber: „Fakt ist, aus einem Langschläfer macht man keinen Kurzschläfer und umgekehrt. Man kann sich auch den Schlaf nicht abgewöhnen oder mehr Schlaf antrainieren.“ (Weeß 2018)
Schlaf-Formen: Monophasisch (nachts), biphasisch (Siesta), polyphasisch (Übermensch)
Aktuell schlafen wir nicht so, wie wir es von Natur aus tun würden. In modernen Ländern schläft man heute in der Regel monophasisch, also mit einer einzigen, ununterbrochenen Schlafphase pro Tag – dem Nachschlaf. In ursprünglicheren Völkern, die heute noch leben wie damals die Jäger und Sammler, schläft man hingegen biphasisch: nachts 7-8 Stunden Schlaf, und nachmittags ein Nickerchen von 30-60 Minuten.
In vielen Ländern gibt es heute keinen Nachmittagsschlaf mehr, was unser Schlafdefizit verschärft. Wie sehr wir das manchmal nötig hätten, sehe ich bei meinen Seminaren immer nach der Mittagspause bzw. dem Mittagessen. Im sogenannten Nachmittagstief befindet sich die Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit meiner Teilnehmer auf einem Minimum, was ich natürlich in meinem Seminarkonzept immer mitberücksichtigen muss: langweilige Vortragseinheiten können hier mitunter zu ungewollten, aber erholsamen Schlafphasen führen. Leider gibt es im Seminar aus zeitlichen Gründen keinen Mittagsschlaf, aber ich lege geeignete Formate in diese Tagesphasen, z.B. Entspannungstechniken wie das Autogene Training oder muskuläre Aktivierungsübungen, die den Kreislauf anregen.
Im Mittelmeerraum gibt es das biphasische Schlafmuster immer noch, z.B. in Form der berühmten spanischen Siesta (Nachmittagsschlaf). Die europäische Leistungsgesellschaft tut derzeit ihr Bestes, dieses Verhalten im Mittelmeerraum auszumerzen – obwohl es durchaus gesund und auch in Bezug auf die Leistungsfähigkeit sinnvoll ist.
„Wenn uns der angeborene biphasische Schlaf vorenthalten wird, verkürzt sich unser Leben. Von daher überrascht es sicher nicht, dass Männer in den kleinen Enklaven Griechenlands, in denen nach wie vor Siesta gehalten wird, zum Beispiel auf der Insel Ikaria, mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit neunzig Jahre alt werden als Amerikaner.“ (Walker 2018: 103-104)
Soziologisch zeigt sich hier aufs Neue: Unserer Leistungsgesellschaft geht es gar nicht immer um Leistung, sondern das System ist vor allem normativ codiert und möchte eine „richtige“ Lebensweise vorschreiben – selbst dann, wenn dies zu einer Leistungsverschlechterung führt.
Ein weiterer Unterschied der „Jäger und Sammler“ findet sich im Zeitpunkt des Einschlafens – gewöhnlich 2-3 Stunden nach Sonnenuntergang. Mitternacht (0:00) ist für sie tatsächlich die „Mitte der Nacht“, denn im Morgengrauen stehen sie wieder auf. Das ist in Industrienationen heute meistens nicht mehr so, wir gehen später zu Bett.
Neben den mono- und biphasischen Schlafmustern gibt es auch polyphasische (altgriechisch „poly“: dt. „viele“). Man sagt Leonardo da Vinci nach, immer nur in kurzen Abschnitten geschlafen zu haben: Alle vier Stunden schlief das Jahrtausendgenie 20 Minuten. Auch nachts. Diese Art von Schlafzyklus nennt man den „Uberman Sleep“ (in Anlehnung an ein oft missverstandenes Wort Nietzsches, dem „Übermensch“).
Somnologe Weeß sieht das kritisch und schreibt diesem Unterfangen keine Erfolgschancen zu, sei es nun bei leistungsorientierten Studenten oder Hochleistungssportlern:
„Jeder, der sich bislang den Schlaf abgewöhnen wollte, ist dabei krachend auf die Nase gefallen und wieder reumütig auf sein Nachtlager zurückgekehrt. Die von der Natur festgelegte Schlafmenge lässt sich von uns ohne großes Erschlaffen nur minimal nach oben oder unten korrigieren.“ (Weeß 2018)
Neben dem Uberman Sleep ist aber noch ein anderer Anglizismus derzeit sehr in Mode – das Powernapping. Damit sind kurze Schlafeinheiten von 20 bis 30 Minuten tagsüber gemeint. Schlafforscher Walker hält dies für gefährlich:
„Kurze Powernaps sind mittlerweile ein Synonym für die fälschliche Annahme, man könne auf ausreichend Schlaf getrost verzichten, besonders, wenn man dazu reichlich Koffein konsumiert. Was Sie auch in den Medien gehört oder gelesen haben mögen, es gibt keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür, dass sich der Schlaf durch ein Medikament, eine Vorrichtung oder eine gehörige Menge an psychologischer Willenskraft ersetzen lässt. Powernaps können das Konzentrationsvermögen bei Schlafmangel vorübergehend erhöhen, genau wie Koffein es in gewissem Maße vermag.“ (Walker 2018: 203)
Schlaf im Verlauf des Lebens
Der Schlaf verändert sich im Laufe des menschlichen Lebens. Im Mutterleib verbringt das heranwachsende Baby fast die gesamte Zeit in einem schlafartigen Zustand. Es nimmt die Bemühungen seiner Eltern gar nicht wahr; seine Arm- und Beinbewegungen sind vermutlich willkürliche Ausbrüche von Hirnaktivität, die typisch für den REM-Schlaf sind – das Kind muss die Schlafparalyse eines Erwachsenen im Traumschlaf erst noch entwickeln. In den letzten Monaten vor der Geburt erwacht der Fötus immer mehr, ist aber bis zur Geburt lediglich zwei bis drei Stunden pro Tag wach.
Das geborene Baby schläft anschließend nicht im monophasischen Schlafmuster der Eltern, sondern polyphasisch: Es macht viele kleine Nickerchen über den gesamten Tag und die Nacht verteilt. Dadurch ergeben sich auch die typischen nächtlichen Wachphasen, wo das Baby schreit (weil es polyphasisch schläft), die Eltern aber am liebsten ihre Ruhe hätten (weil sie monophasisch schlafen).
Je älter das Kind wird, desto geringer wird die Anzahl der Schlafphasen, und desto länger und stabiler werden die verbleibenden Schlafphasen. Mit etwa vier Jahren wechselt das Kind zum biphasischen Schlafmuster: also ein längerer Nachtschlaf, dazu noch ein kurzer Mittagsschlaf. Die Schlafenszeiten sind nun weitgehend bestimmt durch den zirkadianen Rhythmus.
Jugendliche benötigen dann mehr Schlaf und verschieben ihre Schlafenszeit nach hinten, sodass sie von Natur aus später ins Bett gehen und später aufstehen wollen. Unser Schulsystem tut der Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Jugend Gewalt an und zwingt sie zu einem ungesunden und leistungsvermindernden Rhythmus. Erwachsenen hingegen erscheinen sie durch ihr erhöhtes und verschobenes Schlafverhalten als faul – zu Unrecht!
Das Älterwerden führt zu drei wichtigen Veränderungen
Beim Älterwerden – also von der Lebensmitte bis zum hohen Alter – gibt es drei wichtige Veränderungen in Sachen Schlaf:
Erstens reduziert sich die Schlaftiefe. Im Erwachsenenalter bzw. der Lebensmitte geht dann der Non-REM-Schlaf zurück, während der REM-Schlaf unverändert bleibt. In diesem Alter können Menschen weniger Stunden tief schlafen. Mit Ende 40 müssen sie schon auf 60-70% des jugendlichen Tiefschlafs verzichten. Mit 70 Jahren sind es 80-90%.
Je mehr ein Mensch dann auf seine zweite Lebenshälfte zugeht, desto schwieriger wird sein Schlaf. Das liegt teilweise an Medikamenten, die Ältere häufig nehmen müssen; teilweise aber auch an gesundheitlichen Problemen, die das Schlafen erschweren. „Dass ältere Erwachsene schlichtweg weniger Schlaf brauchen, ist nur ein Mythos. Alles spricht dafür, dass sie genauso viel Schlaf benötigen wie in der Lebensmitte, jedoch einfach nicht in der Lage sind, diesen (immer noch notwendigen) Schlaf zu erreichen. Das bestätigen umfassende Studien, die nachweisen, dass ältere Erwachsene nach eigener Aussage genauso viel Schlaf brauchen wie jüngere und auch versuchen, diesen zu bekommen.“ (Walker 2018: 136)
Eine zweite Veränderung des Schlafs im Alter ist die Schlaffragmentierung auf, d.h. wir wachen häufiger auf und können nicht mehr so lange am Stück schlafen. Das hat auch damit zu tun, dass die Blase immer schwächer wird. Durch die Fragmentierung reduziert sich bei Älteren auch die Schlafeffizienz. Dieser Wert gibt an, wie hoch der prozentuale Anteil der Schlafzeit an der im Bett verbrachten Zeit ausfällt. Wer viel wach im Bett liegt, hat eine niedrigere Schlafeffizienz. Teenager haben noch eine Schlafeffizienz von 95%. Ein guter Referenzwert für gesunde Erwachsene ist 90%. Mit 80 Jahren liegt der Wert bei etwa 75%, d.h. man ist von 8 Stunden im Bett ganze 1,5 Stunden wach.
Die Folgen einer (im Vergleich zum Durchschnittsmenschen) schlechten Schlafeffizienz sind mitunter verehrend:
„Ineffizienten Schlaf sollte man durchaus ernst nehmen, das zeigen Studien mit Zehntausenden älteren Erwachsenen. Selbst wenn man Faktoren wie Body-Mass-Index, Geschlecht, Rasse, Rauchverhalten, Häufigkeit der körperlichen Betätigung und Medikamente berücksichtigt, gilt:
Je schlechter die Schlafeffizienz eines Menschen, desto höher das Sterblichkeitsrisiko und desto schlechter die körperliche Gesundheit, desto höher die Wahrscheinlichkeit von Depressionen, desto antriebsloser fühlt er sich und desto geringer die kognitive Funktion, die sich in Vergesslichkeit manifestiert.
Ist der Schlaf chronisch beeinträchtigt, kommt es unabhängig vom Alter zu körperlichen Beschwerden, einer instabilen psychischen Gesundheit, reduzierter Aufmerksamkeit und einem gestörten Erinnerungsvermögen.“ (Walker 2018: 139, Hervorhebung von H.W.)
Die dritte Veränderung des Schlafs im höheren Alter liegt im Zeitpunkt des Schlafens. Alte Menschen gehen früher zu Bett und wachen früher auf. Der Grund dafür liegt in der Melatonin-Ausschüttung, die mit fortschreitendem Alter immer früher am Abend beginnt wird. Dadurch dösen ältere Menschen oft am frühen Abend schon ein und zerstören damit ihre Schlafarchitektur: Das Nickerchen abends vorm Fernseher ist Gift für einen gesunden Schlaf.
Als Fazit lässt sich festhalten: Die drei wichtigsten Probleme des Schlafs im Alter sind
- Zu wenig Schlaf (Quantität)
- Zu geringe Schlafeffizienz (Wachliegen im Bett)
- Zu starke Unterbrechung der Schlafphasen (nicht lange genug am Stück; immer wieder längere Wachphasen)
Schlaf-Unterschiede zwischen Mann und Frau
Statistisch gesehen gibt es ein paar Unterschiede zwischen Mann und Frau in Bezug auf ihr Schlafverhalten. Frauen sind durchschnittlich etwa zwei- bis dreimal häufiger von Schlafstörungen betroffen als Männer.
Frauen haben weiterhin ein höheres Schlafbedürfnis als Männer, im mittleren Alter benötigen sie durchschnittlich 20-30 Minuten mehr pro Nacht. Sie gehen in der ersten Lebenshälfte auch etwas früher zu Bett, benötigen wiederum aber etwas länger, um einzuschlafen.
Dafür schlafen Frauen tiefer und bewahren das auch in der zweiten Lebenshäflte, wohingegen der männliche Tiefschlaf beim Älterwerden immer weiter zurückgeht.
Schlafen Tiere auch?
Der Schlaf ist universell: „Ausnahmslos jede bislang untersuchte Spezies der Tierwelt schläft oder zeigt zumindest ein äußerst schlafähnliches Verhalten.“ (Walker 2018: 83) Weiterhin geht man davon aus, dass auch die Dinosaurier schon geschlafen haben, da einige ihrer Vorfahren bereits vor über 500 Millionen Jahren geschlafen haben.
Im Tierreich gibt es vier wichtige Unterschiede in Sachen Schlaf:
- Gesamtdauer des Schlafs: Während Elefanten und Giraffen nur 4-5 Stunden Schlaf benötigen, braucht die braune Fledermaus 19 Stunden Schlaf und ist damit Rekordhalterin im Tierreich. Tiger und Löwen schlafen etwa 15 Stunden pro Tag.
- Zusammensetzung des Schlafs: Zwar haben alle Tiere Non-REM-Schlafphasen, allerdings zeigen Insekten, Amphibien und Fische sowie die meisten Reptilien keine deutlichen Anzeichen von REM-Schlaf. Offenbar träumen nur Vögel und Säugetiere.
- Art und Weise des Schlafs: Es gibt Tiere, die können mit nur einer Gehirnhälfte schlafen, z.B. Wale und Delfine. Das macht durchaus Sinn, denn ansonsten könnten sie das Schwimmen und Auftauchen zum Atmen nicht bewältigen. Während eine Gehirnhälfte diese Aufgabe übernimmt, darf die andere schlafen – immer abwechselnd.
- Schlafmuster: In entscheidenden Lebenssituationen können einige Tiere ihr Schlafbedürfnis aufschieben. Wenn weibliche Killerwale z.B. ein Kalb zur Welt bringen, tun sie das in der Regel weit weg von den anderen Killerwalen. Daher müssen Mutter und Kind oft lange Strecken zurücklegen, bis sie wieder den Schutz der Gemeinschaft haben. Weil auf diesem Weg 50% der Kälber sterben, schlafen Mutter und Kind in dieser Phase überhaupt nicht. Auch Vögel können bei einer weiten Flugreise ihr Schlafbedürfnis aufschieben, mitunter ohne all die negativen Konsequenzen, die uns Menschen dadurch entstehen würden. Aber auch wir können unsere Schlafmuster verändern: Bei starkem Hunger z.B. bekommt die Nahrungssuche Vorrang vor dem Schlafbedürfnis. Das ist vor allem wichtig zu wissen, wenn man abnehmen will: „Wer mit Absicht fastet, schläft weniger, weil das Gehirn zu der Annahme verleitet wird, die Nahrung sei plötzlich knapp geworden.“ (Walker 2018: 97-98)
Schlafposition
Die meisten Personen haben eine Lieblingsposition, in der sie gerne schlafen – vor allem gerne einschlafen. Das ist der Grund, warum manche Menschen in Zügen oder Flugzeugen nicht gut schlafen können, weil es nicht der gewohnten Einschlafposition entspricht.
„Ob zusammengerollt wie ein Fötus, ausgestreckt auf dem Rücken wie ein König, in Seitenlage oder auf dem Bauch, jeder hat seine Lieblingsposition. Die scheint sich bereits in der Kindheit im Alter von sechs bis acht Jahren zu etablieren und fortan beibehalten zu werden. Im Laufe des Lebens kann es aber notwendig werden, dass man aus gesundheitlichen Gründen die liebgewonnene Schlafposition wieder aufgeben muss. Wer zu Wirbelsäulen-, Schulter- oder Hüftschmerzen neigt, für den kann aus orthopädischen Gründen die Rückenlage Vorteile bieten. Sie gilt als die »Königsposition«: Durch die gerade Haltung ist die Wirbelsäule gestützt, man neigt weniger zu Verspannungen, auf den Organen lastet wenig Gewicht, und am Morgen hat man weniger Abdrücke von Kissen und Matratze im Gesicht.“ (Weeß 2018; Hervorhebung H.W.)
Bewegungen im Schlaf
Jeder Schläfer bewegt sich nachts. Bewegung ist wichtig im Schlaf, damit wir nicht zu lange in derselben Position liegen bleiben – das würde übermäßig langen Druck auf einige wenige Körperstellen ausüben, die dann nicht mehr gut durchblutet werden und langfristig Schaden nehmen könnten. Weiterhin sind Bewegungen wichtig für unsere Muskulatur, ansonsten würde sie einseitig belastet werden und wir hätten morgens (noch viel mehr) Verspannungen.
Wir drehen uns in einer Nacht im Durchschnitt 20-mal um und machen 50 kleinere Bewegungen.
Nächtliches Aufwachen
Jeder gesunde Schläfer bewegt sich nachts und wacht mehrfach auf, denn das Aufwachen ist gesund und wichtig für den Schlaf.
Wir wachen durchschnittlich 28-mal pro Nacht auf.
Die meisten können sich nur nicht daran erinnern, weil sie nicht lang genug wach waren. Damit das Aufwacherlebnis im Gehirn ins Langzeitgedächtnis überführt werden kann, sodass man sich am nächsten Morgen noch daran erinnern kann, muss man etwa 1 bis 3 Minuten wach sein – der genaue Wert wird aktuell noch erforscht und hängt wohl auch vom Alter, dem Schlafstadium und Stressniveau einer Person ab.
Wie oft man nachts wach wird, kann man erstmal nicht beeinflussen. Menschen mit hoher Anspannung werden häufiger wach, schlafen oberflächlicher und werden schneller von Geräuschen geweckt. Je mehr man sich entspannen kann, desto besser wird der Schlaf.
Was kann man tun, wenn man trotzdem wach wird?
- Nicht darüber ärgern, denn das nächtliche Aufwachen macht den Schlaf nicht zwingend schlechter – es gehört zu einem gesunden Schlaf dazu!
- Sich freuen, dass man noch nicht aufstehen muss!
- An den letzten Traum denken und in der Traumwelt aufgehen – dann kommt der Schlaf von alleine zurück!
„Zu Hause ist’s am schönsten“ – Vom Schlafen in der Fremde
Viele Menschen haben schon einmal die Erfahrung gemacht, dass man im Hotel schlecht schläft. Das liegt nicht zwingend an den schlechten Betten. Es hat mit Gewöhnung zu tun. „Zu Hause ist’s am schönsten“ – das gilt sicher auch fürs Schlafen, denn im eigenen Bett und der vertrauten Umgebung der eigenen Wohnung fühlt man sich normalerweise doch am wohlsten.
In der ersten Hotelnacht – dies muss nicht nur auf Geschäftsreisen so sein, sondern z.B. auch im Urlaub – schläft man dann schlecht ein, braucht sehr lange, um in den Schlaf zu finden, wacht dann viel öfters auf als sonst, und schläft insgesamt sehr oberflächlich. Jedes Geräusch macht einen wach, besonders morgens, wenn einige lautstarke Hotelgäste durch die Flure poltern.
Wie kommt das? Somnologe Weeß betont, dass es um einen Gewöhnungsprozess geht, der einige Tage benötigt: „Leider weiß unser Gehirn am neuen Urlaubsort (noch) nicht, dass wir dort sicher sind und uns nichts passieren kann. Für unser Gehirn sind wir in einem »fremden Tal«. Aber schon in der zweiten, spätestens in der dritten Nacht hat es Sicherheit entwickelt, hat sich an die neue Umgebung und die ungewohnten nächtlichen Geräusche gewöhnt, sodass der erholsame Urlaub beginnen kann.“ (Weeß 2018)
Was kann man auf kurzen Reisen (1-2 Nächte) tun?
Dann kommt man erst gar nicht in den Genuss eines guten Schlafs. Für diese Fälle empfiehlt Weeß, etwas Vertrautes von zu Hause mitzunehmen, etwa ein Kissen oder eine Decke, die am besten noch nach „zu Hause“ riecht. Dadurch stellt sich ein Gefühl der Vertrautheit ein, das den Schlaf fördert.
Wahrnehmung der Außenwelt im Schlaf
Der Thalamus ist der Türsteher des Bewusstseins. Er entscheidet bei jedem Sinneseindruck: Du darfst rein; du darfst hier nicht rein. Sinneseindrücke, die eintreten dürfen, gelangen dann in den Kortex und werden bewusst wahrgenommen. Im gesunden Schlaf schließt der Thalamus die Tür zum Bewusstsein fest zu, sodass keine Sinneseindrücke aus der Umgebung des Schlafenden ins Bewusstsein dringen. Das ist typisch für den Schlaf. Wichtig ist hier natürlich, dass es nur um das Bewusstsein geht, denn das Gehirn nimmt weiterhin die Umgebung des Schlafenden wahr, ansonsten könnte man ja auch nicht vom Wecker geweckt werden können. Andere, niedrigschwellige Reize hingegen machen uns nicht wach (z.B. das Ticken einer Uhr oder die Geräusche, die entstehen, wenn ich mich im Schlaf im Bett bewege).
Zeitwahrnehmung im Schlaf
Der Schlaf zeichnet sich in Bezug auf die Zeitwahrnehmung durch zwei Dinge aus:
- Es gibt kein bewusstes Zeitempfinden im Tiefschlaf.
- Das Zeitempfinden im Traumschlaf verändert sich – Traumzeit wird als länger empfunden als die (reale) Zeit im Wachzustand.
Wenn man im Zug oder im Flugzeug einschläft, dann weiß man beim Aufwachen man in der Regel nicht, wie lange man geschlafen hat – und muss auf die Uhr schauen. Das liegt daran, dass im (traumlosen) Schlaf die Zeit nicht bewusst wahrgenommen wird. Erneut: Das Bewusstsein hat in diesem Fall kein Zeitempfinden, aber das (unbewusste) Gehirn läuft weiterhin präzise in Sachen Zeit – was übrigens häufig dazu führt, dass man wenige Minuten vor dem Wecker wach wird, weil das Gehirn eine sehr präzise innere Uhr mitbringt, die einem Wecker oft in nichts nachsteht.
Im Traum haben wir hingegen ein Zeitempfinden, allerdings ein gedehntes. In Anlehnung an Einsteins Relativitätstheorie kann man dies Zeitdilatation nennen. Die erlebte Zeit erscheint im Traum häufig länger als die reale Zeit der Außenwelt. Wenn man morgens auf die Snooze-Taste des Weckers drückt und nochmal 10 Minuten träumt, dann kann einem dieser Traum trotzdem so lang wie ein Hollywood-Film vorkommen.
Schlaf-Arten: REM und Non-REM
Schlaf ist nicht gleich Schlaf. Wir erleben in der Nacht verschiedene Schlafarten bzw. Schlafphasen. Die wichtigste Unterscheidung ist zunächst die zwischen REM-Schlaf und Non-REM-Schlaf.
Der REM-Schlaf zeichnet sich dadurch aus, dass die (geschlossenen) Augen des Schlafenden sich schnell hin und her bewegen (englisch: Rapid Eye Movement = REM). Beim Non-REM-Schlaf fehlen diese Augenbewegungen.
Den REM-Schlaf nennt man auch Traumschlaf, weil er mit dem nächtlichen Träumen zusammenhängt. Der Non-REM-Schlaf wird hingegen häufig als ruhiger Schlaf bezeichnet.
Wenn man die Gehirnwellen auf einem EEG betrachtet, ähnelt der REM-Schlaf viel mehr dem Wachzustand als dem tiefen Schlaf. Bestimmte Gehirnbereiche sind sogar um bis zu 30% aktiver als im Wachzustand, weshalb der REM-Schlaf auch als paradoxer Schlaf bezeichnet wird (im Sinne von gleichzeitig wach und schlafend).
Neben dieser grundlegenden Unterscheidung zwischen REM- und Non-REM-Schlaf lässt sich letzterer nochmals in vier Schlafstadien unterteilen, die sich in der Tiefe des Schlafes unterscheiden (N1 ist Leichtschlaf, N4 ist Tiefschlaf). Die Tiefe des Schlafes kann man auch daran messen, wie schwer es ist, jemanden aus dem Schlaf aufzuwecken. Es gibt in Summe daher zwei übergeordnete Schlafarten und fünf Schlafarten insgesamt:
Schlafzyklen
Die beiden Hauptschlafarten wechseln sich in der Nacht immer wieder ab, und zwar in mehreren Schlafzyklen von je etwa 90 Minuten. Unser Schlaf verläuft also nicht linear und auch nicht monozyklisch, sondern wir durchlaufen mehrfach in der Nacht den gesamten Zyklus. Die grafische Darstellung unserer Schlafarchitektur nennt man Hypnogramm – oder einfacher: Schlafprofil.
Allerdings sind die sich wiederholenden Zyklen nicht exakt gleich. Wir wechseln zwar alle 90 Minuten zwischen Non-REM- und REM-Schlaf, aber das Verhältnis innerhalb eines Zyklus ändert sich dabei. In der ersten Nachthälfte dominiert der tiefe Non-REM-Schlaf und es gibt nur wenig REM-Schlaf. In der zweiten Nachthälfte gewinnt dann der REM-Schlaf die Oberhand und es findet nur noch wenig Non-REM-Schlaf statt.
Das wiederum muss jeder im Hinterkopf haben, wenn er zu wenig schläft. Wenn man zwei Stunden zu wenig schläft, dann hat man nicht einfach nur 25% weniger Schlaf, sondern es fehlt überproportional viel REM-Schlaf, der ja hauptsächlich in der zweiten Nachthälfte zum Zuge kommt. Das hat ernsthafte Folgen für das Gehirn, denn Tiefschlaf alleine reicht nicht aus. Walker vergleicht dies mit unserer Ernährung: Wir brauchen sowohl Kohlenhydrate als auch Eiweiß und Fett. Wenn man sich auf Kohlenhydrate beschränkt, sieht zwar alles danach aus, dass man genug Kalorien zuführt, aber trotzdem treten dann Mangelerscheinungen und Gesundheitsschäden auf. Wie unsere Nahrungsstoffe erfüllen REM- und Non-REM-Schlaf verschiedene Funktionen für den Organismus und können einander nicht ersetzen.
Für Forscher ist es keineswegs trivial, zweifelsfrei nachzuweisen, ob ein Mensch schläft oder nicht, weil man ja nur die Außenwelt des Schlafenden zur Verfügung hat und seine subjektiven Erlebnisse im Sinne der wissenschaftlichen Objektivität ausschließen muss. Woran erkennen Schlafforscher wie Matthew Walker also den Schlaf? Einwandfrei nachweisen lässt sich der Schlafzustand nur mit einer sogenannten Polysomnografie (PSG) – also eine Aufzeichnung (altgriechisch „graphein“: dt. „schreiben“) des Schlafes (lateinisch „somnus“) anhand mehrerer (altgriechisch „poly“) Signale. Dabei werden mit Hilfe von Elektroden die Aktivität (1) der Gehirnwellen, (2) der Augenbewegungen und (3) der Muskeln gemessen.
Im Schlaflabor bekommt man zur Messung also (mindestens, als Teil der PSG) ein EEG an den Kopf – d.h. Elektroden, welche die Gehirnwellen messen. Mit Hilfe dieser Wellen lässt sich von außen feststellen, in welcher Schlafphase sich jemand befindet – Wachzustand eingeschlossen.
Gehen wir die einzelnen Zustände einmal chronologisch durch – vom abendlichen Zähneputzen bis zum Tiefschlaf.
Im Wachzustand, d.h. vor dem zu Bettgehen, zeigt unser Gehirn hochfrequente Wellen mit 30-40 Hz, also 30 bis 40 Schwingungen pro Minute. Dabei ist der Rhythmus nicht nur schnell, sondern auch unregelmäßig: Man könnte auf diesen schnellen Beat nicht darauf tanzen, weil er vorhersagbar ist, als würde permanent jemand willkürlich an der Wiedergabegeschwindigkeit drehen.
Sobald man einschläft, ändern sich die Gehirnwellen: Nun ist ein Non-REM-Schlaf zu beobachten, zunächst in Stadien 1 und 2, dann wird der Schlaf immer tiefer und gelangt in die Stadien 3 und 4. Je tiefer der Schlaf, desto niedrigfrequenter ist er. Das heißt konkret, dass die Wellen langsamer werden und es nur zwei bis vier Schwingungen pro Minute gibt (also 2-4 Hz). Was sich aber nun auch verändert, ist der Rhythmus der Wellen: Auf diesen deutlich langsameren Beat könnte man nun einigermaßen gut tanzen, weil er regelmäßiger und verlässlicher ist. Was man hier sieht, ist eine gut abgestimmte Zusammenarbeit des gesamten Gehirns, eine Art „neuronales Synchronschwimmen“ der verschiedenen Hirnregionen oder ein „Gesangschor neuronaler Prozesse“. Diese niedrigfrequenten Hirnwellen dienen vor allem dazu, übertragungssicher die Erinnerungen des vergangenen Tages aus dem sehr begrenzten Kurzzeitspeicher in den umfangreicheren und stabileren Langzeitspeicher zu übertragen (so wie wenn ein Computer den Inhalt des kleinen Arbeitsspeichers auf eine große Festplatte überträgt).
Was einem Tänzer dabei aber schnell auffallen würde: Es gibt in diesem Takt immer mal wieder einen schnellen Triller – so wie wenn eine Katze schnell schnurrt. Das sind die Schlafspindeln, die häufig am Ende einer langsamen Welle auftreten (wie ein Fill-in am Ende einer Taktreihe beim Schlagzeugspielen). Schlafspindeln „fungieren unter anderem als nächtliche Soldaten, die den Schlaf schützen, indem sie das Gehirn von äußeren Geräuschen abschirmen. Je kräftiger und häufiger die Schlafspindeln, desto weniger reagiert ein Mensch auf äußere Geräusche, die den Schlafenden sonst wecken würden.“ (Walker 2018: 74)
Gelangt man im Schlaf dann schließlich in den REM-Schlaf, dann öffnet der Türsteher des Bewusstseins (genau, das war der Thalamus) nun das Tor – allerdings in anderer Weise als im Wachzustand. Denn nur werden nur die eigenen Mieter reingelassen, also alle Reize, die innerhalb des Gehirns entstehen und nicht von außen kommen. Wie auf einer Theaterbühne inszeniert unser Gehirn dann unsere Emotionen, Motive, Erinnerungen und Erlebnisse in einem wilden Assoziationsrausch.
Die Funktionen der einzelnen Schlafphasen bringt Walker sehr gut auf den Punkt:
„In Bezug auf die Informationsverarbeitung können Sie sich den Wachzustand in erster Linie als Wahrnehmung vorstellen (Sie erleben Ihre Umwelt und lernen ständig dazu), den Non-REM-Schlaf als Reflexion (Speicherung und Stärkung der unverarbeiteten neuen Fakten und Fähigkeiten) und den REM-Schlaf als Integration (Verknüpfung dieser unverarbeiteten Informationen untereinander sowie mit allen früheren Erfahrungen und dadurch Aufbau eines noch genaueren Modells der Welt mit innovativen Erkenntnissen und Problemlösungsfähigkeiten).“ (Walker 2018: 79)
Wir lernen im Schlaf – So funktioniert unser Gedächtnis
Schlaf fördert das Erinnerungsvermögen und das Gedächtnis. Das gilt für die Zeitpunkte vor, während und nach dem Lernen.
Vor dem Lernen sorgt Schlaf dafür, dass unser Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis transferiert wird, sodass wir wieder Kapazitäten frei haben – das ist wichtig, denn die Kapazität ist begrenzt, sodass wir nicht beliebig viele Informationen am Stück aufnehmen können.
Während des Lernens sorgt ein guter, vorausgegangener (Nacht-)Schlaf für eine gute Konzentration und Aufnahmefähigkeit. Unsere Lernfähigkeit wird im Schlaf wiederhergestellt, vor allem durch die sogenannten Schlafspindeln.
Nach dem Lernen sorgt Schlaf dafür, dass wir das Gelernte auch richtig „speichern“ und die Informationen gegen Vergessen schützen. Dieser Vorgang findet sogar schon in einem zwanzig minütigen Mittagesschlaf (mit hohem Non-REM-Anteil) statt – er wird als Gedächtnis-Konsolidierung bezeichnet.
Alle Schlafstadien im Überblick
Schlafstadium | Erklärung |
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Schlafstadium N1 | Das Schlafstadium N1 ist die Übergangsphase von Wachsein zum Leichtschlaf. Deshalb ist es auch das erste Schlafstadium, in das ein Einschlafender eintritt. Es dauert meist nur 5 Minuten. Auf dem EEG sieht man dabei vor allem Theta-Wellen (4-7 Hz). Die Körpertemperatur beginnt zu sinken, die Muskeln entspannen sich, die Augen bewegen sich oft langsam hin und her. Im Schlafstadium N1 verliert man das Bewusstsein für die Umwelt, ist aber auch sehr leicht zu wecken. Kleine Irritationen oder leise Geräusche können den Schlafenden aus dieser Phase aufwachen lassen. |
Schlafstadium N2 | N2 ist das erste Stadium mit richtigem Schlaf – und dauert zwischen 10 und 25 Minuten. Insgesamt verbringt man aber 50% der Nacht in dieser Schlafphase. Dabei sind die Augen ruhig, der Puls und die Atmung sind langsamer als im Wachzustand. Auf dem EEG sieht man eine Kombination aus langsamen Gehirnwellen mit kurzen, etwa halb-sekündigen „Eruptionen“ von Aktivität – den sogenannten „Schlafspindeln“. Außerdem zeigt das EEG ein sogenanntes „K-complex”-Muster. Forscher gehen davon aus, dass dies dazu dient, dass wir aus diesem Schlafstadium schnell erwachen können. Spezielle Geräusche lassen K-Komplexe auf dem EEG erscheinen – z.B. wenn man den Namen der schlafenden Person flüstert. |
Schlafstadium N3 (+ N4) | Im N3-Stadium ist die tiefste Schlafphase, in der der Körper regeneriert und sich repariert. Auf dem EEG sieht man sehr langsame Gehirnwellen – die sogenannten Delta-Wellen. Daher heißt dieses Stadium auch “slow wave sleep” (oder “deep sleep“). Dabei wird die Atmung gleichmäßiger, der Blutdruck sinkt, die Herzfrequenz ist 20-30% niedriger als im Wachzustand. Die Blutzufuhr zum Gehirn nimmt ab, wodurch dieses etwas abkühlt. In dieser Schlafphase ist ein Mensch am schwersten zu wecken und reagiert nicht mehr so intensiv auf externe Reize. In manchen Terminologien wird diese Schlafphase nochmals unterteilt in N3 und N4. In anderen Terminologien ist N3 die tiefste und letzte Schlafphase. |
REM-Stadium | Um die 3- bis 5-mal pro Nacht treten wir dann in das REM-Stadium ein, das sich in etwa alle 90 Minuten wiederholt. Die erste REM-Phase der Nacht dauert meist nur wenige Minuten, aber mit jedem weiteren Zyklus steigt der REM-Anteil, sodass die letzte REM-Phase der Nacht ganze 30 Minuten dauern kann. Insgesamt verbringen Erwachsene 25% unseres Nachtschlafes im REM-Stadium. |
Schlaf-Zyklen | Im Durchschnitt durchläuft ein junger Erwachsener pro Nacht vier bis fünf Schlafzyklen. Der Tiefschlaf findet dabei vorwiegend in der ersten Nachhälfte statt, in der zweiten Nachthälfte dominiert dann der REM-Schlaf. Je älter wir werden, desto weniger Tiefschlaf und desto mehr Leichtschlaf bekommen wir. Dadurch wachen wir mit zunehmendem Alter auch häufiger auf. |
Der Traum: Lernen im Schlaf
Vier bis sechs Jahre unseres Lebens verbringen wir im Traum. Der REM-Schlaf ist aber nicht die einzige Schlafphase, in der wir träumen.
Lange Zeit ist man in der Neurowissenschaft davon ausgegangen, dass Träume lediglich „Nebenwirkungen“ der REM-Schlafphase sind. Demzufolge erfülle zwar der REM-Schlaf eine wichtige Funktion für den Organismus, aber die Träume wären dabei nur ein unbeabsichtigtes Nebenprodukt, das eben entsteht, wenn im Gehirn derlei Prozesse ablaufen. Diese These gilt heute als überholt. Tatsächlich erfüllt nicht nur der REM-Schlaf, sondern auch das Träumen einen Zweck.
Die drei wichtigsten Funktionen des Traums sind:
- Verarbeitung belastender Erlebnisse
- Verbesserung unserer Fähigkeit, die Gesichtsausdrücke anderer Menschen richtig zu deuten
- Förderung unserer Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten.
Über den Zweck des Träumens streiten Wissenschaftler aber auch heute noch. Walker sieht die wichtigste Funktion darin, emotionale und soziale Kompetenzen auszubilden, die es ermöglichen, in großen Menschengemeinschaften zusammenzuleben. Er sieht darin die wichtigste Ursache dafür, dass wir Menschen in der Natur eine so herausragende Stellung einnehmen können, zumindest wenn man damit Errungenschaften wie die Mondlandung meint. Dazu Walker in theatralischem Stil:
„Das Träumen in der REM-Phase ist damit ein entscheidender Faktor, der unseren evolutionären Aufstieg zur Macht mit allen Vor- und Nachteilen ermöglicht hat – den Aufstieg zu einer neuen (durch den Schlaf angetriebenen) weltbeherrschenden sozialen Superklasse.“ (Walker 2018: 112)
Doch der REM-Schlaf hat auch ganz konkrete und unmittelbare Effekte für den einzelnen Menschen. Mit jedem Schlafzyklus fördert der REM-Schlaf ein assoziatives Netz im Gehirn. Dabei geht es auch um „das große Ganze“, denn im REM-Schlaf werden auch übergreifende Erkenntnisse gewonnen, die mehr sind also nur die Summe der einzelnen Informationen. Das erklärt auch das Phänomen, dass wir morgens auf mit Lösungsideen für ein Problem aufwachen, an dem wir uns am Abend vorher noch den Kopf zerbrochen haben.
Träumen ermöglicht Problemlösungen – das Gehirn sucht dabei insbesondere abwegige, kreative und innovative Ideen!
Im Grunde geht es beim Träumen um die Integration von neu Gelerntem (heute) in bestehendes Wissen (Lebenserfahrung). Oft entsteht dadurch eine neuartige Lösung für ein bisher nicht lösbares Problem.
Damit wir unsere Träume nicht ausleben können, lähmt unser Gehirn den schlafenden Körper für die Zeit des Träumens – damit wir im Bett nicht um uns schlagen oder eine Flucht umsetzen können. Bis auf die Augen, die sich in der REM-Phase ja so deutlich bewegen, sind unsere Muskeln gelähmt (auch „Atonie“ genannt).
Schlafprobleme: Die Folgen
„Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sein Schlafprogramm mit dem Wecker beendet, bevor es abgeschlossen ist. So etwas würden wir weder mit unserer Waschmaschine tun noch mit dem Backofen, in dem der Sonntagsbraten schmurgelt.“ (Weeß 2018)
2/3 der Bevölkerung hat Schlafmangel.
Nach einem Schlafentzug bzw. einer durchgemachten Nacht schläft ein Mensch, wenn es ihm möglich ist, in der Erholungsnacht sehr viel länger (10-12 Stunden). Die Reaktion auf den Schlafmangel ist also eine Verlängerung des Schlafes – das nennt man dann Schlaf-Rebound. Weiterhin wird in der ersten Folgenacht schwerpunktmäßig der tiefe Non-REM-Schlaf nachgeholt. In der zweiten, dritten und vierten Nacht wird dann der REM-Schlaf schwerpunktmäßig nachgeholt. Daraus lässt sich schließen, dass beide Schlafarten unverzichtbar sind, auch wenn Menschen versuchen, zunächst einmal das Tiefschlafdefizit auszugleichen. Fehlt eine der beiden Schlafphasen, nimmt unsere Gesundheit und unser Gehirn Schaden.
Schlafdefizite – nicht wiedergutzumachen
Schlafforscher Walker warnt aber eindringlich, dass unser Organismus niemals den gesamten Schlafmangel ausgleichen kann – unabhängig, wie viel Schlaf wir „nachholen“. Sowohl für den Non-REM- als auch für den REM-Schlaf gilt, dass man „verlorenen“ Schlaf nicht wieder gut machen kann. Das betrifft insbesondere unser Gedächtnis und unsere Lernfähigkeit: Der Schlaf ist „nicht wie die Bank – man kann seine Schulden nicht auflaufen lassen und später abzahlen. Bei der Konsolidierung von Erinnerungen heißt es »jetzt oder nie«.“ (Walker 2018: 220)
Experiment „Sommerzeit“
Eine besonders beeindruckende Demonstration der negativen Folgen von geringem Schlafmangel und Schlafprobleme zeigt sich durch eine glorreiche Erfindung der Menschheit: Die Sommerzeit. Dadurch entzieht man 1,5 Milliarden Menschen weltweit einmal pro Jahr eine Stunde Schlaf (die übrigens nicht ein halbes Jahr später durch die zusätzliche Stunde wieder kompensiert werden kann). Große Datenmengen an Krankenhausaufzeichnungen zeigen, dass die Sommerzeit am Folgetag eine enorme Menge an (zusätzlichen) Herzinfarkten nach sich zieht. Bei der Rückstellung sinkt diese Anzahl bemerkenswerterweise unter den Durchschnitt. Diese Veränderungen lassen sich auch bei der Anzahl der Verkehrsunfälle beobachten, da bereits kleine Schlafdefizite einen negativen Einfluss auf die Aufmerksamkeit haben.
Überaktives sympathisches Nervensystem
Schlafmangel hat eine große Auswirkung auf die Aktivität des sympathischen Nervensystems, das wir in Kampf- oder Flucht-Szenarien brauchen und das blitzschnell unseren gesamten Organismus aktiviert und leistungsfähig macht. In der Evolution hat dieser Zustand nur einige Minuten angedauert.
Wenn wir aber heute an chronischem Schlafmangel leiden, dass hält dies unseren Körper im sympathischen Nervensystem gefangen: „Bei einer unbehandelten Schlafstörung kann dies mehrere Jahre lang andauern, genauso bei übermäßiger Arbeitsbelastung, die Dauer oder Qualität des Schlafes einschränkt, oder auch dann, wenn ein Mensch sich einfach nicht genug Schlaf gönnt. Bei Schlafmangel läuft das sympathische Nervensystem ständig auf Hochtouren“ (Walker 2018: 223-234). Das kann wiederum, über längere Zeit gesehen, schwere Schäden anrichten und sogar tödlich sein.
Die Überaktivierung des sympathischen Nervensystems geht mit einer chronischen Steigerung des Stresshormons Cortisol einher, was, wenn es zu lange im Körper bleibt, ebenfalls Schaden anrichten kann. Zusätzlich wird in einem solchen Zustand auch die Ausschüttung des Wachstumshormons (das ist sozusagen unser Selbstheilungs- und Regenerationshormon) unterdrückt.
Eine zu hohe psychische und körperliche Anspannung infolge eines überaktiven sympathischen Nervensystems ist der Hauptgrund für schlechten Schlaf. Dabei zeigen sich zwischen angespannten und entspannten Schläfern folgende Unterschiede:
Angespannte Schläfer | Entspannte Schläfer |
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Gewichtszunahme
Je weniger wir schlafen, desto mehr Hungergefühl haben wir, und desto mehr werden wir essen.
Schlafmangel kann übergewichtig machen und bewirkt ein höheres Risiko für die Entstehung von Typ-2-Diabetes.
Für die Gewichtszunahme sind vor allem zwei Hormone verantwortlich: Leptin dämpft den Appetit und führt dazu, dass wir nichts (mehr) essen möchten. Ghrelin dagegen bewirkt ein starkes Hungergefühl. Beide Hormone geraten aus dem Gleichgewicht, sodass unser Hunger zunimmt und unser Sättigungsgefühl auch bei umfangreichem Essen nicht recht eintreten will.
Wer zu wenig schläft, konsumiert etwa 300 kcal mehr am Tag, was im Jahr eine Gewichtszunahme von 5 bis 7 kg bedeutet.
Dass wir bei Schlafmangel mehr essen, kommt übrigens nicht dadurch, dass der Wachzustand mehr Energie verbraucht. Der Schlaf ist für Körper und Gehirn ein Zustand starker Aktivität und zeichnet sich durch einen fast so hohen Stoffwechsel aus wie der Wachzustand.
Wer 24 Stunden auf Schlaf verzichtet, verbraucht nur knapp 150 kcal mehr als ein normaler Schläfer.
Diät ohne Wirkung
Diesen Zusammenhang muss man unbedingt bedenken, wenn man eine Diät macht, mit dem Ziel, Körperfett zu verlieren. Man kann auch bei Schlafmangel abnehmen, allerdings bestehen dann etwa 70% der abgenommenen Kilos aus Muskeln. Gerade das sind aber die guten Gewichte, die wir behalten möchten! Ohne Schlafmangel macht Körperfett schon 50% des angenommenen Gewichts aus – und die Muskelmasse bleibt.
Kranker Darm
Ausreichend Schlaf ist nicht nur für das Gehirn und unser Herzkreislaufsystem essentiell, sondern auch für unseren Darm. Der Darm ist ein oft unterschätzter Faktor für unsere Gesundheit und Fitness. Die Bakterien-Gemeinschaft im Darm nennt man Mikrobiom. Der Darm hat ein eigenes Nervensystem (enterisches Nervensystem) und kommuniziert dabei unablässig mit unserem Gehirn.
Ein kranker Darm kann unsere Stimmung und unser Energieniveau beeinflussen, man bringt ihn sogar mit psychischen Erkrankungen wie einer Depression in Verbindung.
Das empfindliche und auswirkungsreiche Mikrobiom im Darm leidet bei Schlafmangel, weil ein zu aktives sympathisches Nervensystem (typisch für chronologischen Schlafmangel) und ein zu hoher Cortisolspiegel (typisch, wenn der Stress im Schlaf nicht mehr abgebaut werden kann) dazu führen, dass sich die „schlechten“ Bakterien im Darm vermehren, während die „guten“ immer weniger werden. Dadurch bringt man das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, kann Nährstoffe nicht mehr optimal aufnehmen und verarbeiten und bekommt mindestens Magen-Darm-Probleme, mitunter auch emotionale und psychische Folgeschwierigkeiten.
Weniger Regeneration (Wachstumshormon)
Das Wachstumshormon spielt eine sehr wichtige Rolle für unsere Gesundheit und Fitness. Verglichen mit seinem Einfluss ist es trotzdem vielen unbekannt. Das Hormon sorgt nachts für die „Reparatur“ des Körpers und Wiederherstellung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es wird insbesondere während des Tiefschlafes der ersten Nachthälfte produziert – diese Phase ist entscheidend dafür, ob und wie wir nachts unseren „Akku“ wieder aufladen können.
„Wegen seiner muskelaufbauenden und regenerierenden Wirkung ist das Wachstumshormon, auch Somatropin genannt, im Sport als Dopingmittel weit verbreitet.“ (Weeß 2018)
Ein Mangel an diesem Hormon führt zu Muskelabbau, Fettaufbau und Gewichtszunahme.
Weniger Testosteron
Auch das Hormon „Testosteron“ wird im Schlaf produziert, während der nächtlichen Regeneration im Tiefschlaf.
„Testosteron ist wichtig für die Spermienproduktion, aber auch für den Aufbau von Muskeln, indem es dort die Eiweißherstellung fördert. Wer sportlich erfolgreich sein will, sollte also nicht nur viel trainieren, sondern auch viel schlafen. Schlaf ist ein gutes Dopingmittel.“ (Weeß 2018)
Ein Mangel an Testosteron hat für Männer teilweise unangenehme Folgen:
Ein Testosteron-Mangel kann unter anderem durch Schlafmangel bzw. Schlafprobleme verursacht werden – je größer der Schlafmangel, desto niedriger der Testosteron-Spiegel. Die Effekte sind dabei ganz schön heftig: „Die hormonelle Beeinträchtigung ist so erheblich, als wäre die Vitalität des Testosterons bei diesen Männern um zehn bis fünfzehn Jahre »gealtert«.“ (Walker 2018: 249)
Und wer bitte möchte mit 30 Jahren das Testosteron eines 45-Jährigen haben?
Zu viel Cortisol
Das Stresshormon „Cortisol“ ist der nächtliche Gegenspieler des Schlafhormons „Melatonin“. Es wird vermehrt in der zweiten Nachthälfte in der Hypophyse ausgeschüttet, wenn die Melatonin-Produktion in der Zirbeldrüse zurückgeht.
Cortisol „leitet den Wechsel vom Schlaf- zum Wachprogramm des Menschen ein: Der Kreislauf wird in Schwung gebracht, die Muskeln werden durchblutet, Blutdruck, Herzschlag und Körpertemperatur steigen, und der Eiweiß- und Zuckerstoffwechsel bereitet uns auf die Aufgaben des Tages vor. Kortisol ist darüber hinaus auch der Gegenspieler des Wachstumshormons und hemmt dessen Ausschüttung.“ (Weeß 2018)
Schwaches Immunsystem
Die Auswirkungen von Schlafmangel auf das Immunsystem machen sich schnell bemerkbar und sind mitunter verheerend: „Wenn man nur eine Nacht lang zu wenig schläft, verliert der Körper diese unsichtbare Rüstung des Immunsystems.“ (Walker 2018: 253)
Durch ausreichenden Schlaf sind wir fast dreimal besser gegen Erkältungs- und Grippeviren geschützt wie bei chronischem Schlafmangel.
Das konnte in einer wissenschaftlichen Studie gezeigt werden, bei der man Menschen absichtlich mit einem Erkältungsvirus infizierte. Dabei konnte festgestellt werden: „Je weniger Schlaf eine Person in der Woche vor dem Kontakt mit dem Erkältungsvirus bekommen hatte, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass diese Person sich infizierte und erkältete. Bei denjenigen, die im Durchschnitt fünf Stunden schliefen, lag die Infektionsrate bei fast 50 Prozent, bei denjenigen, die in der Vorwoche mindestens sieben Stunden pro Nacht geschlafen hatte, bei nur 18 Prozent.“ (Walker 2018: 254; Hervorhebungen H.W.)
Höheres Krebsrisiko
Schon nach wenigen Nächten mit zu wenig Schlaf wird das Immunsystem auch in einer anderen Hinsicht geschwächt: Die Aktivität unserer Killerzellen nimmt ab, was langfristig gesehen ein höheres Krebsrisiko bedeutet. Durch die Daueraktivierung des sympathischen Nervensystems wird zudem eine chronische Entzündungsreaktion des Immunsystems ausgelöst. Wenn diese Reaktion unspezifisch ist und nicht wieder weggeht, verursacht sie verschiedene Gesundheitsprobleme und hat eine negative Auswirkung auf die Entstehung von Krebs.
Schlechter Schlaf erhöht damit das Risiko für eine Krebserkrankung und fördert wie ein mächtiger Dünger ein schnelleres und unkontrollierteres Wachstum, wenn bereits eine Erkrankung vorliegt.“ (Walker 2018: 259)
Die Rolle der Ernährung
Wie sich unsere Ernährung auf unseren Schlaf auswirkt, ist überraschenderweise bisher nicht sehr intensiv erforscht worden. Eine zu starke Limitierung der täglichen Kalorienzufuhr wirkt sich negativ auf den Schlaf, besonders auf die Menge des tiefen Non-REM-Schlaf aus. Solange der Organismus glaubt, dass es nicht genug zu essen gibt, hat die Nahrungssuche immer Vorrang vor dem Schlafbedürfnis – wir schlafen also weniger, und auch schlechter. Dabei geht es natürlich um extreme Formen von Nahrungsmangel: Eine langsame Diät mit 5 oder 10% weniger Kalorien pro Tag dürfte keine großen Schwierigkeiten machen.
Schlafforscher Walker kann aber keine eindeutigen und für jeden gültigen Ernährungsregeln aussprechen, insbesondere nicht für konkrete Nahrungsmittel. Er bilanziert vorsichtig:
„die wissenschaftlichen Hinweise [sprechen] dafür, dass man nicht zu vollgestopft oder zu hungrig zu Bett gehen sollte und am besten auf eine Ernährungsweise mit zu viel Kohlenhydraten (mehr als 70 Prozent der Gesamtenergieaufnahme), insbesondere Zucker, verzichtet.“ (Walker 2018: 400)
Die Folgen von und für Sport
In der Regel verbessert Sport die Schlafqualität in der Nacht und verlängert die Schlafenszeit insgesamt. Dies gilt umso mehr für ältere Personen oder an Schlafschwierigkeiten leidenden Menschen.
Trotzdem solle man nicht unmittelbar vor dem Schlafen trainieren, so Schlafforscher Walker. Durch den Sport wird die Körpertemperatur 1-2 Stunden erhöht sein. Wir benötigen zum Einschlafen aber genau das Gegenteil, nämlich eine Absenkung der Körpertemperatur. Am besten solle man den Sport mindestens 2-3 Stunden vor dem Schlafengehen beendet haben.
Schlechter Schlaf hat umgekehrt natürlich einen negativen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit im Sport am Folgetag. Der Einfluss von Schlaf auf Sport scheint zudem größer zu sein als der von Sport auf Schlaf.
Geringe Leistungsfähigkeit & Arbeit
Es gibt zwei sehr verbreitete Vorteile in unserer Arbeitswelt: (1) Wer wenig schläft, ist fleißig und produktiv; und (2) wer viel schläft, ist faul und bringt keine Leistung. Beides ist nachweislich falsch. Schlafmangel verschlechtert fast alle entscheidenden Fähigkeiten, die man im Job braucht.
Psychische Erkrankungen und Schlafprobleme: Ursache oder Folge?
Bei praktisch jeder psychischen Störung kann das Schlafverhalten der Person auffällig sein. Dies gilt insbesondere für Depressionen, Angststörungen, Schizophrenie, posttraumatische Belastungsstörungen und biopolare Störungen. „Depressionen oder Angststörungen gehen, je nach Studie, mit einem bis zu fünffach erhöhten Risiko für Schlafstörungen einher.“ (Weeß 2018)
Gerade die Depression ist eng an Schlafstörungen gekoppelt – etwa 90% der Betroffenen haben Schlafschwierigkeiten. Bei chronischer Depression mit verringertem Schweregrad können Schlafstörungen das wichtigste verbleibende Symptom sein. Depressiv Erkrankte haben weniger Tiefschlaf und gehen nachts früher in die REM-Schlafphase über.
Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und psychischen Erkrankungen. Früher ging man in der Psychiatrie davon aus, dass Schlafprobleme die Folge von einer psychischen Erkrankung seien. Heute geht man hier stattdessen von wechselseitigen Einflüssen aus: Schlafstörungen verschlimmern psychische Erkrankungen – und umgekehrt.
„Das soll nicht heißen, dass alle psychischen Leiden durch fehlenden Schlaf verursacht werden. Ich glaube jedoch, dass Schlafstörungen ein bislang vernachlässigter Faktor sind, der zur Entstehung beziehungsweise zum Fortbestand zahlreicher psychischer Krankheiten beiträgt und wirksame diagnostische und therapeutische Möglichkeiten bietet, die wir bislang noch nicht vollständig verstanden haben oder nutzen. Diese Behauptung wird durch erste (aber überzeugende) Beweise gestützt.“ (Walker 2018: 210)
Wenn es aber gelingt, die Schlafqualität bei psychisch Erkrankten zu verbessern, dann lässt sich die Intensität der Symptome lindern und die Heilung verbessern.
Depression und Schlafprobleme: Was ist Ursache, was Folge?
Gerade bei Patienten, die sowohl unter Depression als auch unter Insomnie leiden, darf nicht vorschnell die Depression als Ursache der Schlafstörung / der Schlafprobleme interpretiert werden – die Kausalität kann in beide Richtungen gehen, argumentiert Psychologe Seth J. Gillihan (clinical assistant professor of psychology in the Psychiatry Department at the University of Pennsylvania). Unabhängig von der Frage nach Ursache und Folge sollten beide Themen für sich therapeutisch angegangen werden – sowohl die Depression als auch die Insomnie.
Auch Mediziner Dr. Dale Archer konstatiert, dass über viele Jahre eine Insomnie von Ärzten und Therapeuten einfach als Symptom der Depression eingeordnet wurde. Von der Therapie der Depression versprach man sich die Besserung der Schlafprobleme. Neuere Forschungen weisen deuten für Archer aber darauf hin, dass eine Depression auch eine Folge einer Insomnie sein kann. Dementsprechend würde genau umgekehrt sich die Depression bessern, wenn die Insomnie erfolgreich therapiert werden kann.
Schlafpsychologe Michael J. Breus zieht daraus schon jetzt die Konsequenz, dass die Behandlung von Schlafstörungen ein Bestandteil der Therapie einer Depression sein sollte, sofern diese zusammen mit Schlafstörungen auftritt: „Integrating sleep therapy into standard treatment—a low-cost, non-invasive treatment that may dramatically increase the likelihood of recovery—could have a profound impact on millions of lives.“
Schlafprobleme: Ursachen und Formen
Wie schläft ein Mensch mit ausgeprägter Ein- und Durchschlafstörung? Die Zeit bis zum Einschlafen – die sogenannte Einschlaflatenz – ist dabei nicht alles entscheidend: Bis zu dreißig Minuten Einschlafzeit seien völlig normal und unbedenklich, sagt Schlafforscher Weeß.
Vergleicht man die Hypnogramme eines gesunden Schläfers mit dem einer an Schlafstörungen leidenden Person, dann zeigt deren Schlafprofil eine auffällige, typische Schlafarchitektur: kaum oder gar kein Tiefschlaf, dafür sehr viel oberflächlicher Schlaf (Stadien N1 und N2). An der Stelle des Schlafprofils, wo bei gesunden Schläfern der Tiefschlaf auftritt, bleibt bei einem gestörten Schlaf der Tiefschlaf aus. Dazu sind sehr viel mehr Weckreaktionen zu beobachten, die nur wenige Sekunden andauern und oft nicht bewusst wahrgenommen werden. Das wiederum führt zu einem unterbrochenen (fragmentierten) Schlaf.
Auch zeitweilige Schlafstörungen bzw. Schlafprobleme seien etwas Normales und gehören zum Leben dazu. Typische Anlässe für vorübergehende Schlafschwierigkeiten sind etwa Stress auf der Arbeit hat, Sorgen um die eigenen Kinder macht, Trennung und Scheidung, Tod einer nahestehenden Person, eine anstehende Prüfung oder körperliche Schmerzen. Sind die Anlässe einmal vorüber, gehen auch die Schlafschwierigkeiten wieder weg. Eine chronische Schlafstörung hingegen bleibt – und entwickelt sich meistens aus einer vorübergehenden Schlafstörung.
Schlafstörungen
Es gibt mehr als hundert bekannte Schlafstörungen. Relativ verbreitet ist z.B. der Somnambulismus der Verhaltensweisen während des Schlafes umfasst, z.B. das Sprechen im Schlaf oder das Schlafwandeln.
Die wichtigste und häufigste Schlafstörung ist aber die „Insomnie“.
Insomnie
Die Insomnie ist die häufigste aller Schlafstörungen und betrifft etwa 5-10% der Bevölkerung. Die meisten Menschen haben keine Insomnie, sondern Schlafmangel: Wenn die eigenen Schlafschwierigkeiten dadurch zu lösen wären, dass man morgens ausschlafen oder abends rechtzeitig ins Bett gehen könnte, liegt keine Schlafstörung vor.
Bei der Insomnie sind Betroffene überhaupt nicht mehr in der Lage, zu schlafen – selbst wenn sie sich ausreichend Zeit dafür nehmen. Auch bei einer ausreichenden Zeit im Bett wird keine ausreichende Menge an Schlaf bzw. keine Schlafqualität erreicht.
Eine Insomnie entsteht meistens aus einem Teufelskreis, bei dem aus einem vorübergehenden Schlafproblem eine chronische Schlafstörung entsteht.
Manchmal liegt die Ursache für die Schlafprobleme gar nicht in der Person selbst, sondern findet sich in externen Faktoren wie etwa Lärm oder Licht mit hohem Blauanteil. Im strengen Sinne liegt dann keine Schlafstörung bzw. Insomnie vor, weil die Ursache nicht personenbezogen ist, sondern umweltbedingt. Durch Reduktion bzw. Elimination solcher externen Faktoren können die Schlafprobleme dann behoben werden.
Die beiden häufigsten Auslöser für (chronische) Insomnie sind psychologisch: Sorgen und Ängste.
Schlafprobleme: Stress ist die Ursache #1
Die Ursache der meisten nicht-organisch bedingten Schlafstörungen wie der Insomnie ist ein überaktives sympathisches Nervensystem, das zu einer vermehrten Ausschüttung des Stresshormons Cortisol führt und zu einem flacheren, weniger erholsamen Schlaf führt. In diesem Sinne lässt sich sagen: Die häufigste Ursache von Schlafstörungen ist Stress.
Diese 5 Dinge stören den Schlaf
Die wichtigsten Störfaktoren für den Schlaf in unseren Tagen lauten:
- Künstliches Licht
- Alkohol
- Zimmertemperatur
- Wecker
- Koffein
Künstliches Licht
Seit der Erfindung der Glühbirne hat die Menschheit ein Schlafproblem mehr. Denn unser Schlafrhythmus ist stark durch das Licht – gemeint ist hier das natürliche Licht der Sonne! – bestimmt. Solange unser Gehirn noch Licht wahrnimmt, bleibt die Bremse der Melatonin-Ausschüttung angezogen, die normalerweise nach Einbruch der sonnenbedingten Dunkelheit gelöst wird. Bei Jägern und Sammlern lag der Einschlafzeitpunkt noch zwischen 20 und 22 Uhr. Das moderne künstliche Licht lässt unser Gehirn glauben, es sei immer noch Tag. Dieser Effekt tritt schon bei dezenten Lichtquellen auf und nimmt zu, je heller das Licht ist.
„Selbst ein ganz schwaches Licht von acht bis 10 Lux verzögert die Freisetzung des nächtlichen Melatonins nachweislich. Die schwächsten Nachttischlampen strahlen doppelt so stark, nämlich mit 20 bis 80 Lux. In einem schwach beleuchteten Wohnzimmer, in dem sich die meisten Menschen vor dem Schlafen aufhalten, herrschen etwa 200 Lux. Eine solche Wohnraumbeleuchtung hat zwar nur 1 bis 2 Prozent der Stärke von Tageslicht, kann die Melatoninfreisetzung im Gehirn jedoch um 50 Prozent unterdrücken.“ (Walker 2018: 363)
Besonders schädlich sind hier LED-Lichter, die einen hohen Blauanteil haben – bei gleicher Lichtstärke haben sie einen doppelt so starken Einfluss auf die Melatonin-Bremse wie das warm-gelbliche Licht von Glühlampen. Moderne Endgeräte wie Handy oder Laptop arbeiten mit solchen LEDs. Eine Verbesserung kann man erzielen, indem man einen Blaufilter installiert. Weiterhin sollte man lieber bei Glühlampenlicht ein handfestes Buch lesen als bei LED-Licht ein Buch auf dem Display, weil letzteres im Vergleich 50% mehr die Melatonin-Ausschüttung unterdrückt. Die LED-Nutzung hat aber auch Konsequenzen für die Zeit nach dem Einschlafen: sie stört den natürlichen Schlafrhythmus und verschlechtert die Schlafqualität, sodass man die Wirkung auch am nächsten Tag noch spürt.
Auch nach Erlöschen des Lichts dauert es eine Weile, bis genügend Melatonin freigesetzt wird. Einfach das Licht ausschalten und binnen weniger Minuten einschlafen und einen stabilen Schlaf finden, ist eine unrealistische Hoffnung. Was tun?
„Da künstliches Licht am Abend so allgegenwärtig ist, kann man sich nur schwer davor schützen. Ein guter Ansatz wäre, in den Zimmern, in denen man sich abends aufhält, für gedämpftes Licht zu sorgen. Verzichten Sie auf kräftige Deckenbeleuchtung, Stimmungslicht ist angesagt. Manche Menschen gehen sogar so weit, dass sie nachmittags und abends gelb getönte Brillen tragen, um das schlimmste blaue Licht, das das Melatonin unterdrückt, herauszufiltern. Genauso wichtig ist vollkommene Dunkelheit in der Nacht. Das lässt sich am besten mit Verdunklungsvorhängen erreichen. Und schließlich können Sie auf Computern, Handys und Tablets Software installieren, die das schädliche blaue LED-Licht im Laufe des Abends immer weniger sättigen.“ (Walker 2018: 366-367)
Alkohol
Alkohol hilft einzuschlafen – glaubt man der Aussage von Menschen, die dieses Betäubungsmittel immer wieder zu diesem Zweck einsetzen. Matthew Walker macht hier unmissverständlich klar, dass Alkohol nicht zu Schlaf führt, sondern zu Sedierung.
„Die elektrischen Hirnwellen, die sich bei Alkoholkonsum einstellen, stimmen nicht mit der Hirnaktivität natürlich schlafender Menschen überein, sondern ähneln einer leichten Form der Betäubung.“ (Walker 2018: 367)
Außerdem hat Alkohol den Nachteil, dass wir häufiger aufwachen und der Schlaf durch diese vielen Unterbrechungen nicht erholsam ist. Obendrein unterdrückt Alkohol hocheffektiv den REM-Schlaf, sodass unser Lernvermögen massiv eingeschränkt ist.
Alkoholkonsum kann sogar das in den vorangegangenen Tage Gelernte zunichtemachen, weil er den für das Lernen so wichtige REM-Schlaf unterdrückt. Man kann sich also seine Lernerfolge rückwirkend kaputt machen, wenn man nach drei intensiven Lerntagen zur Feier abends mal so richtig tief ins Glas guckt.
Zimmertemperatur
Die Umgebungstemperatur im Schlafraum ist einer der am meisten unterschätzten Faktoren für ein schnelles Einschlafen und tieferes Durchschlafen.
Um gut einzuschlafen, muss der Körper seine Kerntemperatur um etwa 1 Grad verringern. Fällt die Körpertemperatur am Abend, dann wirkt dies als Zeitgeber des Schlafs und führt zu einem Anstieg des Schlafhormons Melatonin.
Die „Abkühlung“ des Körpers kann durch die Umgebung gefördert oder behindert werden. Entscheidend ist hier die Kombination aus Raumtemperatur, Bett/Matratze und Bettwäsche. Gerade die Raumtemperatur ist heutzutage meistens zu hoch zu Schlafen. Als Faustregel gilt: Bei einer Durchschnittsperson mit typischer Bettwäsche und nächtlicher Bekleidung ist eine Schlafzimmertemperatur von etwa 18 Grad ideal für einen guten Schlaf. Die meisten von uns schlafen aber bei 21 oder 22 Grad – das sind keine optimalen Schlafbedingungen.
Was kann man tun, um seine Körpertemperatur zu senken? Der Körper kann besonders durch gut durchblutete, warme Körperregionen Hitze nach außen abgeben – z.B. an Händen, Füßen und im Gesicht. Entsprechend kann man z.B. die Hände, Füße und Kopf unmittelbar vor dem Einschlafen „lüften“ mit frischer, kalter Luft von draußen (falls verfügbar). Das Tragen warmer Bettsocken kann ebenfalls hilfreich sein. Sehr wirksam ist auch das „waschen“ von Gesicht und Händen, denn das Wasser (egal, ob kalt oder warm) nimmt beim Verdunsten einiges an Wärme mit und kühl so den Körper ab. „Je wärmer die Hautoberfläche, umso besser ist die Absenkung der Körperkerntemperatur – und umso deutlicher das Einschlafsignal.“ (Weeß 2018)
Ein heißes Bad oder eine heiße Dusche am Abend können ebenfalls helfen – durch das heiße Wasser kommt Blut an die Hautoberfläche und über die geweiteten Blutgefäße an der Körperoberfläche kann nach dem Bad schnell innere Wärme nach außen dringen. Dadurch sinkt die Körpertemperatur. „Heiße Bäder vor dem Schlafen können bei gesunden Erwachsenen den Non-REM-Schlaf um 10 bis 15 Prozent erhöhen.“ (Walker 2018: 378)
Wecker
Der Mensch ist die einzige Spezies auf diesem Planeten, die sich aktiv Schlaf vorenthält. Wir setzen unserem Schlaf sogar ein künstliches, von unserer Biologie abgekoppeltes Ende – durch den Wecker. Wenn dieser morgens klingelt, werden wir blitzschnell in Alarmbereitschaft versetzt, das sympathische Nervensystem lässt den Blutdruck extrem ansteigen und bereitet den Körper auf den „Fight or Flight“-Modus vor. Mit der Snooze-Taste kann man diesen Schock für den Organismus sogar einige Male wiederholen.
Koffein
Viele Menschen nutzen Koffein gegen Müdigkeit. Diese Rechnung geht nicht auf. Koffein erreicht etwa eine halbe Stunde nach Konsum seinen Höchstwert im Körper. Seine Halbwertszeit beträgt etwa 6 Stunden.
Wer also um 18:00 einen Kaffee trinkt, hat um 0:00 immer noch 50% des Koffeins im Körper. Und wer nur morgens eine Tasse trinkt, hat beim Einschlafen immer noch ein Viertel davon im Blut.
Deshalb kann Koffein einer der größten und am weitesten verbreitete Verhinderer des Schlafs sein. Bei dieser Gelegenheit: Auch „entkoffeinierter“ Kaffee enthält Koffein – etwa 15 bis 30% des normalen Kaffees.
Nachdem das Koffein im Körper abgebaut wurde, kommt es zum sogenannten „Koffeincrash“, bei dem wir starke Müdigkeit verspüren und unsere Konzentration leidet. Das liegt daran, dass das Koffein nur die Rezeptoren des Adenosins blockiert hat – und nicht die Ausschüttung. Sobald diese Rezeptoren vom Koffein nicht mehr beansprucht werden, erhält das Gehirn nun schlagartig ein immenses Müdigkeitssignal von all dem angestauten Adenosin. Wenn man hier nicht mit weiterem Koffein gegensteuert, können wir nicht mehr lange wachbleiben. Und so entsteht der Teufelskreis einer Koffeinabhängigkeit.
Anders als sein Ruf schränkt das Koffein unsere Leistungsfähigkeit ein, weil es im Grunde eine Stimulationsdroge ist. Wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, Koffein trage zu unserer Leistungsfähigkeit bei – wir sind vielleicht weniger müde, aber deshalb nicht gleich konzentrierter.
Fazit
Nach der Auflistung aller Störfaktoren für den Schlaf zieht Schlafforscher Matthew Walker ein ernüchterndes Fazit:
„Wir sind gefangen zwischen elektrifizierten Nächten und frühmorgendlichen Anfangszeiten, müssen auf den vierundzwanzigstündigen Temperaturzyklus verzichten und sind in unterschiedlichem Maße von Koffein und Alkohol überschwemmt, sodass wir oft regelrecht erledigt sind und uns nach dem sehnen, was wir offenbar einfach nicht bekommen können: nach einer erholsamen Nacht mit reichlich natürlichem Tiefschlaf. Unsere innere und äußere Situation im 21. Jahrhundert entspricht nicht dem Umfeld, in dem wir entstanden sind.“ (Walker 2018: 380)
Schlaf-Messung und Diagnostik
Schlafexperten laden nicht sofort jede Person mit Schlafschwierigkeiten ins Schlaflabor ein. Oft genügt zur Diagnose einer Schlafstörung schon ein einfacher Fragebogen, wie man ihn z.B. auf Seite 44 der Publikation „Improving Sleep“ der Harvard Medical School.
Profi-Diagnostik: Schlafmessung im Schlaflabor
Die meisten Menschen mit Schlafproblemen brauchen keine Nacht im Schlaflabor über sich ergehen zu lassen. Die meisten Schlafstörungen und Schlafprobleme (Insomnie, gestörter zirkadianer Rhythmus) lassen sich durch eine sorgfältige Anamnese mit medizinischen Untersuchungen diagnostizieren. Bei Verdacht auf Narkolepsie oder Schlafapnoe, Bewegungsstörungen oder Parasomnie kann das Schlaflabor nötig sein.
Wie läuft eine Nacht im Schlaflabor ab?
In der Regel bringt man eigene Schlafkleidung und das eigene Kissen von zu Hause mit. Mit technisch geschultem Personal wird dann meist eine Polysomnografie durchgeführt – also eine Aufzeichnung (altgriechisch „graphein“: dt. „schreiben“) des Schlafes (lateinisch „somnus“) anhand mehrerer (altgriechisch „poly“) Signale. Dabei wird Aktivität (1) der Gehirnwellen, (2) der Augenbewegungen und (3) der Muskeln gemessen. Zusätzlich werden Audio- und Videoaufnahmen angefertigt, um z.B. nächtliches Sprechen oder Bewegungsstörungen festzustellen. Alles wird vom Personal vor Ort in der Nacht überwacht und anschließend ausgewertet.
Wie ein Aufenthalt in einem Schlaflabor abläuft und wie man sich dabei fühlt, kann man in einem Erlebnisbericht in der „Zeit“ nachlesen.
Auf Leihbasis: Mobiles Schlaflabor (ambulante Polysomnographie)
Eine gute Alternative zu mitunter preisintensivem Home-Equipment sind „mobile Schlaflabore“. Das sind Geräte, die auch in Schlaflaboren eingesetzt werden und eine vollständige Polysomnographie ermöglichen. Trotzdem kann man die Geräte mit nach Hause nehmen und zu Hause schlafen, was auch die Qualität der Daten verbessert, weil man im Labor nicht so „typisch“ schläft wie im eigenen Bett. Einige Arztpraxen bieten diese „ambulante Polysomnographie“ an: Man wird in der Praxis verkabelt, darf dann mit dem Gerät nach Hause gehen, ganz normal schlafen und bringt das Gerät am nächsten Tag zurück. Auch die Auswertung erfolgt dann durch einen Arzt in der Praxis.
Allerdings wird eine ambulante Polygraphien in Deutschland vor allem als Screening-Untersuchung eingesetzt, wenn der Verdacht auf eine schlafbezogene Atemstörung vorliegt. Das ist oft eine Vorbereitung, sodass noch eine stationäre Nacht im Schlaflabor folgen könnte.
Außerdem hat eine ambulante Polygraphie den Nachteil, dass nachts kein Überwachungspersonal wie im Schlaflabor anwesend ist und auch ein ärztlicher Notfalldienst nicht unmittelbar verfügbar ist.
Und schließlich eignet sich das Verfahren auch nicht dafür, den Erfolg einer Schlafbehandlungsmethode über die Zeit hinweg zu kontrollieren und Verbesserungen zu erkennen – da das Gerät nicht jede Nacht zur Anwendung kommt, sondern i.d.R. nur für eine Nacht mit nach Hause genommen wird.
Infos zur ambulanten Polysomnographie findet man z.B. unter http://www.medizinfo.de/kopfundseele/schlafen/schambulant.htm .
Sleep Tracking für zu Hause (Geräte und Messverfahren)
“What gets measured, gets managed.”
Dieses Zitat stammt von Peter Drucker und findet sich in seinem Buch “The Practice of Management“ von 1954. Das lässt sich auch auf den Schlaf übertragen: Wenn man Schlafstörungen und Schlafprobleme messen kann, dann kann man auch das Problem analysieren und genauer herausfinden, worin es im Kern eigentlich besteht.
Da es unzählige Schlafstörungen und etliche Formen von „schlechtem Schlaf“ (Schlafprobleme) gibt, ist diese Erkenntnis in der Tat verlockend, denn es macht durchaus einen Unterschied, ob mein „schlechter Schlaf“ durch eine zu kurze Schlafdauer oder durch eine nicht ausreichende Schlaftiefe verursacht wird.
Schlafforscher machen professionelle Messungen mit aufwendigen Messgeräten im Schlaflabor. Es gibt aber derzeit auch einen Boom an Geräten, die man zu Hause nutzen kann. Sogenannte Sleep Tracker geben vor, dass sie den Schlaf eines Menschen vermessen und analysieren können – z.B. durch Armbänder und Smartphones.
Da die aktuelle Zuverlässigkeit dieser Sleep Tracker zu wünschen übriglässt, lohnt es sich, kurz zu reflektieren, welchen Nutzen die dadurch erhobenen Daten überhaupt hätten. Denn bei aller Euphorie, die durch die neuen Geräte entstehen mag, ist es wichtig, den praktischen Nutzen nicht aus den Augen zu verlieren.
Was würde das überhaupt für einen Unterschied machen?
Es gibt in den letzten Jahren einen richtigen Boom im Bereich Health Tracking, Fitness Tracking und, ja, auch Sleep Tracking. In unserer mathematisch-naturwissenschaftlich geprägten Lebensform sind alle Daten irgendwie wertvoll, vor allem wenn sie mit dem Anschein der Objektivität einhergehen, am besten in Zahlenform. Viele Menschen sind so sehr mit der Messung ihres Fitnessprogramms beschäftigt, dass sie gar keine Zeit mehr haben, zu trainieren. Es gibt gute Gründe für die These, dass uns Gesundheits-Tracker keineswegs gesünder machen.
Dieser Run auf Gesundheitsdaten, den man mit billigen Endgeräten wie dem Smartphone, Pulsgurten, Arm- oder Kopfbändern birgt viele Chancen, aber auch einige Gefahren. Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass wir unsere Gesundheit und vor allem unser Gesundheits-Verhalten tracken, wenn man einige Dinge berücksichtigt.
Die Gefahren von Gesundheits-Trackern
Erstens ändert Aufmerksamkeit alleine noch kein Verhalten. Wenn ich weiß, dass ich 2000 Schritte zu wenig gegangen bin heute, löst das noch lange nicht das Problem. Allein das Wissen, dass ich dieses oder jenes tun sollte, führt noch nicht zu einer Verhaltensänderung.
Zweitens kann Aufmerksamkeit auch in Besessenheit ausarten und Prozesse eher behindern. Wer jede Nacht exakt vermisst, wie er schläft, der wird bald das nicht mehr können: einfach so schlafen. Manche Prozesse müssen wir vergessen, damit sie funktionieren, z.B. motorische Prozesse wie das Tippen auf der Tastatur, oder eben unwillkürliche Prozesse wie das Einschlafen. Hier könnten Gesundheits-Tracker auch Schaden anrichten.
Drittens haben die Daten oft keinen großen Aussagewert, d.h. sie ermöglichen weder neue Einsichten in Sachen Diagnostik noch in Sachen Behandlung. Wenn man den Schlaf vermessen kann und die App einem sagt, dass man nicht gut geschlafen hat, ist dies weder eine diagnostische Einsicht noch ändert es etwas für die Behandlung, denn die Behandlung von Schlafschwierigkeiten ist in der Regel dieselbe, solange kein organisches Problem besteht oder eine Atemstörung vorliegt. Der Euphorie, die Gesundheitstracker auslösen, folgt oft die Ernüchterung, dass die Daten im Grund keinen großen Zusatznutzen bieten.
Auf die kritische Frage „Was macht das jetzt für einen praktischen Unterschied?“ müssen wir oft antworten:
„Eigentlich keinen. Ich weiß jetzt, dass ich nicht gut schlafe. Das habe ich vorher schon gewusst. Und ich weiß jetzt, dass ich etwas tun muss. Was, sagt mir die App nicht. Aber die Behandlung ist eigentlich immer dieselbe. Die Daten haben keinen Einfluss auf das, was ich anschließend tun soll. Wozu brauche ich sie dann?“
Die Vorteile von Gesundheits-Trackern
Erstens führt das zu vermehrter Aufmerksamkeit – und man weiß aus Metastudien zu den verschiedenen Diäten, dass es eigentlich nicht eine spezifische Ernährungsweise (mediterran, ketogen) oder Diätform (low carb, Paleo) ist, die uns abnehmen lässt, sondern die Aufmerksamkeit, die dadurch entsteht: Wir essen achtsamer und bewusster, und dadurch treffen wir bessere Entscheidungen, essen gesünder und mit mehr Bedacht – also weniger.
Zweitens können wir mit guten Trackern auch unsere Erfolge messen. Das ist schon seit Langem möglich, z.B. durch eine einfache Messung des Ruhepulses, der sich über die Jahre durch gutes Training verringern kann, oder über ein Blutdruckmessgerät, wofür man nicht erst das Smartphone und Bluetooth erfinden musste. Einer der einfachsten und am häufigsten übersehenen Gesundheits-Tracker ist die klassische Waage: Wer abnehmen will, bekommt hier – nicht täglich, aber vielleicht doch wöchentlich – ein Feedback über die eigenen Erfolge. Wenn die Waage dann noch in der Lage ist, zuverlässig zwischen Wasser, Körperfett und Muskulatur zu unterscheiden, ist dieses Feedback sogar noch spezifisch. Im Grunde liegt darin auch der Gedanke von Biofeedback-Geräten: Der Person eine Rückmeldung geben, ob sie mit ihrem aktuellen Verhalten Fortschritte macht. Das kann in Echtzeit geschehen, wenn z.B. bei einer Entspannungsübung der elektrische Hautwiderstand gemessen wird, um rückzumelden, ob und wie gut man die Entspannung herbeiführen kann. Aber auch ein Pulsgurt, der beim Cardio-Training einen gewissen Pulsbereich sicherstellt (z.B. ideal für die Fettverbrennung; oder ideal für das Herzkreislauf-Training), ist ein wertvolles Feedback. Eine Waage ist eher ein langfristiges Feedback zu den (Langzeit-)Erfolgen. Dieses Biofeedback hat vor allem eine Lern- und eine Motivationsfunktion: Wir lernen, welche Verhaltensweisen gut und welche nicht gut funktionieren; und weil wir dabei die Erfahrung von Selbstwirksamkeit machen, steigt unsere Motivation, am Ball zu bleiben. Wer die Erfahrung macht, dass er sich aus eigener Kraft helfen kann, hat die besten Voraussetzungen, auch langfristig gute Verhaltensweisen und Gewohnheiten aufzubauen.
Drittens können uns Gesundheitsdaten, wenn sie spezifisch und verlässlich genug sind, auch Einsichten ermöglichen, aus denen wir Verbesserungsstrategien ableiten können. Wenn mir mein Pulsgurt z.B. sagt, dass ich morgens um 10:00 bei derselben Belastung einen viel höheren Puls habe als abends um 18:00, dann wäre es vielleicht eine Idee, abends zu trainieren, weil ich gelernt habe, dass ich dann leistungsfähiger bin.
Schlaf-Tracker: Pro und Contra
So ist das auch mit dem Sleep Tracking. Die Vorteile liegen erstens darin, dass wir dem Schlaf Aufmerksamkeit schenken, uns damit beschäftigen und unsere Gewohnheiten einer Prüfung unterziehen (z.B. Koffein-Konsum, Zimmertemperatur, unregelmäßige Schlafenszeiten). Zweitens könnte uns ein guter Sleep Tracker auch Rückmeldungen über die Erfolge unserer Bemühungen geben – schlafen wir nach 4 Wochen schlaf-orientierter Lebensweise wirklich besser? Wenn ja, dann werden wir diese Gewohnheiten wahrscheinlich langfristig aufrechterhalten, weil wir entsprechend motiviert sind. Das sind die Chancen des Sleep Tracking.
Die Realität des aktuellen Sleep Trackings ist aber ernüchternd. Die Chancen und Versprechungen der Hersteller können derzeit technisch nicht eingelöst werden. Im Gegenteil: sie können sogar Schaden anrichten:
Erstens führt eine vermehrte Aufmerksamkeit bei einer Sache wie Schlaf nicht zwingend dazu, dass man bessere Entscheidungen trifft. Vielmehr wird der Schlaf durch eine zu starke Fixierung auf ihn eher schlechter. Schlaf ist etwas, das man „vergessen“ muss, damit es gut funktioniert. Wer die ganze Zeit seine Aufmerksamkeit darauf richtet, ob er schon eingeschlafen ist, verhindert genau das. Wer sich zu sehr mit den Daten beschäftigt, der wacht nachts auf, weil er auf die App gucken will. Und zu allem Überfluss verändert die Beschäftigung mit Daten unsere Erwartungsstruktur – und die wiederum hat Einfluss auf unseren Schlaf. Sagt uns die App, dass wir einen schlechten Schlaf hatten, wird das unsere Aufmerksamkeit am Folgetag vor allem auf Dinge richten, die diese These bestätigen. Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Zweitens können die verschiedenen Schlaf-Tracker derzeit nicht zuverlässig messen, ob und wie gut wir schlafen. Das „Ob“ scheint derzeit noch einfacher zu sein, aber das „Wie“ – z.B. wie viel Zeit wir in welcher Schlafphase verbracht haben und wie tief der Schlaf dabei war –, ist mit der aktuellen Technik überhaupt nicht zuverlässig zu tracken. Im Gegenteil: Weil die Daten so unverlässlich sind, können sie sogar durch Fehlinformationen zu Unsicherheit, Verwirrung und Fehlentscheidungen führen.
Drittens kann die aktuelle Technologie uns auch keine präzise Auskunft darüber geben, ob sich unser Schlaf – vor allem die Schlafqualität und Schlaftiefe – wirklich über die Zeit verbessert hat. Bei der Schlafdauer funktioniert dies schon besser, aber auch nicht 100% korrekt. Das beste Feedback, das wir neben dem anspruchsvolleren Messverfahren in einem professionellen Schlaflabor derzeit zur Verfügung haben, ist unser Gefühl am Folgetag. Wir können zwar nicht gut einschätzen, wie lange wir wirklich geschlafen haben – hier irren sich viele und unterschätzen oft die Zeit, die sie geschlafen haben. Aber wir haben durchaus ein gutes Gespür dafür, wie gut die Nacht insgesamt war – ob wir uns also erholt und leistungsfähig fühlen oder nicht. Schlaftracker können zum aktuellen Zeitpunkt keine darüberhinausgehenden Daten mit Zusatznutzen bereitstellen. „Viel Lärm um Nichts“ – das wäre kein ganz unangemessenes Fazit zum gegenwärtigen Sleep Tracking.
Ein Artikel der New York Times kommt zu einem ähnlichen, ernüchternden Fazit nach einem ausführlichen Test verschiedener Sleep Tracking Devices:
“Ultimately, the technology did not help me sleep more. It didn’t reveal anything that I didn’t already know, which is that I average about five and a half hours of slumber a night. And the data did not help me answer what I should do about my particular sleep problems.” (Brian X. Chen)
Warum sind aktuelle Schlaf-Tracker so unpräzise? (Messverfahren)
Das Problem mit aktuellen Schlaf-Trackern ist, dass sie den Schlaf nicht „direkt“ messen können, sondern sie sammeln Indizien und interpretieren diese mit selbstentwickelten und meist der Öffentlichkeit nicht zugänglichen Algorithmen. Also ein technisch fundiertes Ratespiel.
Die eingesetzte Technologie und Messverfahren der Sleep Tracker sind u.a.:
Die beiden häufigsten Hardware-Formen der Sleep Tracker sind tragbare Armbänder, die man wie eine Uhr nachts am Handgelenk trägt, und Geräte, die man auf die Matratze legen, auf den Nachttisch stellen oder an das Kissen klippen kann (externe „Strips“ oder das Smartphone selbst).
Das Problem der aktuellen Sleep Tracker liegt darin, dass sie nicht die richtige Messtechnik mitbringen, die zur Erhebung der Schlafdaten eigentlich erforderlich wäre, die es aber derzeit nur im Schlaflabor gibt.
Daten über Bewegungen im Bett zu sammeln und daraus zu schließen, ob jemand schläft und auch noch, in welcher Schlafphase sich jemand befinde, liefert abenteuerliche Ergebnisse. Dies ist in keinster Weise mit der Datenqualität in einem Schlaflabor vergleichbar. Gerade für die Messung der Schlafstadien sind akkurate Daten über Gehirnwellen unverzichtbar. Diese werde aber von Sleep Trackern nicht erhoben, weil die Technologie eines Armbandes oder eines Bewegungssonars sich grundsätzlich dazu nicht eignet. Auch die Augenbewegungen, die wichtige Indizien für die verschiedenen Schlafphasen beinhalten (REM- oder Non-REM-Schlaf), fehlen den Geräten. Wissenschaftliche Untersuchungen von Sleep Trackern kommen bisher zu sehr ernüchternden Ergebnissen: Genaue Messungen sind aktuell nicht möglich, vor allem nicht in Bezug auf Schlafstadien. Wissenschaftliche Tests und Vergleiche einzelner Devices bescheinigen den Geräten ebenfalls mangelnde Genauigkeit.
Auch Schlafforscher Walker betont in einem Podcast, dass die Sleep Tracker zwar recht gut darin sind, Schlaf- und Wach-Zustand zu unterscheiden, aber nicht so gut funktionieren, auch die verschiedenen Schlafphasen zu unterscheiden.
Schlaf-Apps
Die Software, welche die Daten auswertet, ist entweder in die Geräte eingebaut, oder auf dem Smartphone als App installiert, die einfach die Rohsignale durch externe Geräte wie einen Pulsgurt oder ein Smartphone erhält und anschließend verarbeitet. Hier eine Übersicht über die wichtigsten Schlaf-Apps für Android und Apple:
Schlafphasen-Wecker: Ungenau und nutzlos
Wenn wir morgens ausschlafen und von alleine wach werden, dann werden wir meistens am Ende einer REM-Schlafphase wach. In diesem Stadium ist unser Gehirn schon „fast“ wach. Werden wir hingegen künstlich, also von einem Wecker aus dem Schlaf gerissen, könnte es sein, dass wir mitten in einer tiefen Non-REM-Schlafphase sind. In dieser Phase geweckt zu werden ist furchtbar und erschwert es enorm, aus dem Bett zu kommen.
Dieses Problem wollen Schlafphasen-Wecker lösen. Man gibt ihnen ein Intervall vor, in dem man geweckt werden möchte, z.B. zwischen 7:00 und 7:45. Der Schlafphasen-Wecker soll, so die Theorie, messen, wann wir uns in diesem Zeitintervall in einer REM- bzw. Leichtschlafphase befinden, und uns dann gezielt wecken. Solange wir noch in einer Tiefschlafphase sind, darf der Wecker noch nicht klingeln – es sei denn, das Ende der Zeitspanne ist erreicht und der Wecker muss uns nun um 7:45 wecken, ob es nun passt oder nicht.
Aktuelle Schlafphasen-Wecker nutzen zur Identifikation der korrekten Schlafphase eine von zwei Technologien: Die erste besteht darin, einfach die Zeit hochzurechnen. Aus dem Wissen, dass ein Schlafzyklus ungefähr 90 Minuten dauert, rechnet der Wecker hoch, wann am Morgen das Ende des vierten oder fünften Zyklus erreicht ist – und klingelt dann. Dieses Verfahren ist praktisch nutzlos und dem Zufallsprinzip nicht überlegen. Zum einen weiß der Wecker nicht, wann wir abends wirklich eingeschlafen sind – wenn wir noch 20 Minuten wach liegen, verschiebt sich die Zeit ja! Zum anderen sind die 90 Minuten ein Durchschnittswert, der von Person zu Person, aber auch von Zyklus zu Zyklus variiert. So lässt sich leider keine präzise Uhrzeit berechnen.
Die zweite Technologie ist da schon ausgefeilter: Der Wecker versucht, anhand von Indizien zu diagnostizieren, in welcher Schlafphase ich mich befinde. Das kann wie die Schlaf-Tracker oben anhand von Bewegungen, Atmung oder Herzrate geschehen. Dazu kann der Bewegungssensor (oder das Sonar) eines Smartphones genutzt werden, manchmal zusätzlich noch ein Pulsgurt. Wie bei den Schlaf-Trackern oben gesehen, genügt aber keine dieser Technologien, um eine Schlafphase korrekt zu identifizieren. So meint auch Somnologe Weeß: „Die verwendete Technik ist nicht geeignet, den Schlaf und seine Stadien korrekt zu analysieren. Sie kommt zwar modern und wissenschaftlich verpackt daher, beruht im eigentlichen Sinne aber auf Steinzeitmethoden der Schlafforschung.“ (Weeß 2018)
Aktuell taugen Schlafphasen-Wecker (ohne EEG) leider nichts. Aber da der Placebo-Effekt wie immer eine große Rolle in der Wirksamkeit solcher Methoden spielt, spricht auch nichts dagegen, dass man ihn weiterhin nutzt, wenn man das Gefühl hat, dass es einem hilft.
Eine Hoffnung: Mobile EEGs für zu Hause
Eine hoffnungsvolle Alternative sind „mobile“ EEGs, denn diese messen tatsächlich Gehirnwellen – wie präzise, hängt natürlich vom Gerät ab. Das Dreem Headband steht im Verdacht, präzise Messergebnisse zum Schlaf zu liefern, da es Gehirnwellen, Bewegungen, Geräusche und Herzrate misst. Das zumindest legt ein wissenschaftlicher Artikel nahe, der die Genauigkeit der Messungen untersucht hat.
Die Technik – Flucht und Segen des Schlafs
Unsere moderne Technologie verursacht Schlafprobleme – aber sie kann auch dazu beitragen, den Schlaf zu verbessern. Hier bedarf es also einer differenzierten Sicht. Smartphone, iPad und E-Book-Reader können Schlafprobleme verursachen, wenn sie innerhalb der letzten Stunden vor dem Schlaf konsumiert werden. Dazu gehört auch das elektrische Licht.
Auf der anderen Seite ermöglichen Smartphones aber auch (in naher Zukunft), dass wir unseren Schlaf präzise (das ist aktuell noch schwierig) mit preiswerten medizinischen Endgeräten tracken können. Das kann ein tragbares EEG sein, ein HRV-Pulsgurt oder ein Ultraschallgerät. Diese Geräte können sich über Bluetooth mit dem Handy verbinden und unseren Schlaf analysieren. Aus dem so einfach gewonnenen Wissen kann man dann Veränderungsmöglichkeiten ableiten. Außerdem kann die App aus unseren Schlafdaten schon sehr bald unseren genauen zirkadianen Rhythmus identifizieren und uns genau sagen, wann wir am besten schlafen gehen und aufstehen sollten, um den besten Schlaf zu bekommen. Außerdem könnte die App im Internet of Things mit unserem Deckenlicht kommunizieren und die Helligkeit entsprechend reduzieren (oder den Blauanteil herausfiltern), wenn es bald Zeit zum Schlafen ist. Außerdem könnte die App das Thermostat runter drehen, damit wir es ausreichend kühl haben in der Nacht. Und natürlich die Fenster maximal verdunkeln.
Am nächsten Morgen könnte uns die App selbstständig innerhalb eines Zeitfensters genau dann wecken, wenn wir in der leichtesten Schlafphase sind – dann kommen wir besser aus dem Bett. Außerdem kann sie dann auch die Fenster wieder erhellen, damit wir ganz automatisch von natürlichem Tageslicht geweckt werden. Wenn das nicht zum Zeitplan passt, darf die App auch die Deckenbeleuchtung auf Maximum drehen, mit möglichst hohem Blauanteil.
Außerdem hatte das Sleep Tracking noch den Vorteil, dass man seine Fortschritte in Zahlen messen und mitverfolgen kann. Wenn Menschen sehen, dass ihre Bemühungen auch Früchte tragen und sich der Schlaf verbessert, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese Gewohnheit erhalten bleibt.
TOP 5: Sleep-Tracking-Geräte für zu Hause
Wie oben beschrieben sind viele sogenannte „Sleep Tracker“ aufgrund der fehlenden Sensorik unbrauchbar. Deshalb tauchen folgende Geräte in meiner Übersicht erst gar nicht auf: alle Armbänder (Apple Watch, FitBit), smartphone-nutzenden Apps (Sleep as Android), Pulsgurte (Polar H7) oder Ringe (Oura). Um eine sinnvolle Schlafmessung durchführen zu können, muss das Gerät mindestens ein EEG besitzen, idealerweise weitere Sensoren einer Polysomnografie (PSG) wie Messung der Augenbewegungen.
Obwohl es sich um eine TOP-5-Liste handelt, muss man festhalten, dass zwischen den ersten beiden Plätzen und den Plätzen 3-5 Welten liegen – die beiden ersten Plätze sind in Funktionalität und Qualität wohl derzeit allen anderen Produkten um Lichtjahre voraus.
Platz 1: Dreem 2
Platz 2: ZMax
Platz 3: Neuroon
Platz 4: iBand+
Platz 5: Kokoon
TOP-5 der noch nicht (oder nicht mehr) erhältlichen Schlaf-Tracker
Platz 1: Aurora
Platz 2: Sleep Shepherd Blue
Platz 3: Lucid Dreamer
Platz 4: Lucid Catcher
Platz 5: Aladdin
Schlafprobleme: Was hilft wirklich?
Was hilft gegen Schlafprobleme? Die erste Strategie heißt immer: Verhalten ändern. Das gilt sowohl für die Therapie von ernsthaften Schlafstörungen also auch für die Verbesserung von ganz normalen Schlafproblemen.
Schlafstörungen und Schlafprobleme können gelernt sein in dem Sinne, als sie die Konsequenz von eigenen Verhaltensweisen sind – diese kann man z.B. mit einem Psychotherapeuten herausfinden. Es gilt also erstmal, die eigenen Lebens- und Schlafgewohnheiten zu prüfen und ggf. anzupassen.
Das erfordert allerdings auf Seiten der Betroffenen Geduld:
„Schlafprobleme haben sich oft langsam eingeschlichen und mit der Zeit an Intensität zugenommen. Es ist wichtig, dass Sie sich als Betroffene bewusst machen, dass Schlafprobleme nicht per Knopfdruck abzustellen sind. Die gute Nachricht aber ist: der Weg zurück zu einem guten Schlaf ist möglich.“ (Weeß 2018)
Das Mittel der Wahl ist dabei aber die Änderung des Schlafverhaltens – und nicht, wie viele vielleicht hoffen, die Verschreibung von Schlaftabletten. Denn auch bei schweren Schlafstörungen scheinen Tabletten nicht gut wirksam zu sein – schon gar nicht langfristig. Das Mittel der Wahl bei handfesten Schlafstörungen oder wenn starke Schlafprobleme auftreten ist unten beschriebene Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I).
Schlaftabletten
„Bis zu zwei Millionen Bundesbürger können nicht ohne Schlaftablette schlafen, sind an diese gewöhnt und abhängig“, schreibt Somnologe Weeß – eine erschreckende Feststellung. Dabei sind sich eigentlich alle Wissenschaftler einig, dass Schlaftabletten (Stand 2019) keine oder nur geringe Wirksamkeit haben. Neben der geringen bzw. fehlenden Wirksamkeit stehen Schlaftabletten aber auch im Verdacht, das Sterberisiko zu erhöhen und Krebs zu verursachen. Auch wenn ein finales Urteil dazu noch aussteht, gibt es Studien, die diesen Schluss nahelegen. Außerdem ist für praktisch alle Schlafforscher klar, dass die Verschreibung in Anbetracht der Nebenwirkungen und Äbhängigkeitsgefahr nicht zu rechtfertigen ist.
Verschreibungspflichtige Schlaftabletten führen zwar dazu, dass man nicht mehr lange wach ist, aber sie betäuben vielmehr als dass sie den natürlichen Schlaf fördern. An den Gehirnwellen kann man ablesen, dass beim „Schlaf durch Schlaftabletten“ die tiefsten Gehirnwellen ausbleiben: der tiefe Non-REM-Schlaf.
Weil man auch am nächsten Tag noch müde ist, konsumiert man umso mehr Koffein und muss abends dann noch mehr Schlaftabletten nehmen, damit man schlafen kann, was wiederum zu noch mehr Müdigkeit am Folgetag führt – ein Teufelskreis. Werden die Tabletten abgesetzt, schlafen Betroffene häufig ganz besonders schlecht, also noch schlechter als vor dem Beginn der Einnahme. Außerdem sieht die wissenschaftliche Studienlage zur Wirksamkeit von Schlaftabletten düster aus: Oft lässt sich keine Überlegenheit gegenüber Placebo nachweisen. Aktuell sind Schlafmittel also keine Lösung:
„Es gibt und gab kein legales (oder illegales) Mittel, das natürlichen Schlaf hervorrufen kann.“ (Walker 2018: 383)
Schlafmittel (pflanzlich)
Die Wirkung pflanzlicher Mittel ist in einigen Fällen nachgewiesen, aber nur begrenzt. Präparate mit einem hohen Baldriananteil scheinen einen leichten Vorteil zu bringen. Lavendelöl in Tablettenform kann bei leichten Schlafstörungen als Folge von Ängstlichkeit und innerer Unruhe eine schlaffördernde (weil beruhigende) Wirkung haben.
Weiterhin können hochdosierte Johanniskraut-Präparate bei einer leichten und mittelschweren Depression helfen. Damit ließen sich zumindest jene Schlafstörungen und Schlafprobleme behandeln, die als Folge der Depression auftreten.
Somnologe Weeß fragt in Angesicht der überschaubaren Wirkung zurecht, „ob man bei leichten Schlafstörungen überhaupt eine medikamentöse Krücke benötigt“ (Weeß 2018). Schwerwiegende Schlafstörungen / Schlafprobleme können die oben genannten Präparate leider nicht beseitigen.
Binaural Beats
Binaural Beats steht für ein Audio-Verfahren, bei dem unseren beiden Ohren jeweils einen minimal anderen Ton zu hören bekommen – (zusammengesetzt aus lateinisch Präfix „bi“ = dt. „zwei, doppelt, beide“; sowie lateinisch „auris“ = dt. „Ohr“). Das heißt konkret: Man setzt sich einen Kopfhörer auf oder In-ears, um dafür zu Sorgen, dass wirklich ein Ohr auch nur einen Audiokanal zu hören bekommt – bei einem Fernseher oder externen Boxen wäre dies nicht der Fall, da beide Signale in beiden Ohren dringen.
Nun nimmt man einen der beiden Audio-Kanäle, also das, was auf einem Kabel der In-Ears in ein Ohr läuft – und sendet hier ein nur minimal abgewandeltes Signal, das fast – aber eben nur fast! – dem Signal des anderen Ohres entspricht. Ein Ton hat jeweils eine Frequenz, die die Tonhöhe bestimmt. Bei binauralen Beats bekommt ein Ohr z.B. einen Ton mit 350 Hz zu hören, während das andere Ohr einen Ton mit 340 Hz wahrnimmt. Dabei entsteht eine Schwingung bzw. ein Pulsieren genau mit der Differenz: 10 Hz. Die binauralen Beats erzeugen also quasi eine dritte, neue Frequenz, die nur durch die Kombination der beiden anderen Frequenzen entsteht.
Der Trick dabei ist: Man kann seinen Ohren nicht direkt eine Frequenz von 10 Hz darreichen, da wir in diesem Frequenzbereich bereits „taub“ sind – denn genauso wie wir nicht alle Lichtfrequenzen sehen können (z.B. kein infrarotes oder ultraviolettes Licht), können wir auch nicht alle Tonhöhen hören. Ein Ton mit einer Frequenz von 10 Hz ist viel zu tief für unser Gehör. Durch binaural Beats kann dieser Ton quasi künstlich erzeugt werden – durch die Differenz zweier Frequenzen, die beide im hörbaren Bereich liegen.
Die Wirkung dieser niedrigen Frequenz liegt nun darin – zumindest wird diese von Verfechtern der binauralen Beats behauptet und es gibt auch immer mehr wissenschaftliche Belege dafür –, dass sie unsere Gehirnwellen verändert. Unser Gehirn zeigt bei verschiedenen Bewusstseins- und Schlafzuständen verschiedene kennzeichnende Gehirnwellen.
Für den Schlafzustand sind dies z.B. sogenannte Delta-Wellen, die eine viel geringere Frequenz (1,5-4 Hz) haben als die Wellen für den Wachzustand oder dem Traumzustand. Und obwohl wir die neue Frequenz mit dem Ohr nicht hören können, hat sie dennoch Einfluss auf unser Gehirn in der Art, dass es angeregt wird, seine Gehirnwellen zu verändern – und dadurch uns in einen anderen Bewusstseinszustand bringen. Diesen Anpassungsprozess des Gehirns nennt man “Entrainment”.
Theoretisch wäre es dann mit Binaural Beats möglich, sich gezielt in einem Zustand höchster Wachheit und Konzentration, aber auch in einen meditativen oder einen tiefenentspannten zu bringen. Oder eben – und da kommt der Schlaf ins Spiel – in einen Zustand von tiefem Non-REM-Schlaf (sicherlich nicht von jetzt auf gleich, aber nach und nach).
Schlafforscher berichten tatsächlich von den Auswirkungen von auditiven Signalen auf den Schlaf. Das müssen nicht nur binaurale Beats sein. Auch von der schlaffördernden Wirkung von Entspannungsmusik wird berichtet.
In einem Artikel bei Psychology Today schreibt der Schlafpsychologe Michael J. Breus, dass Forschungen belegen, dass die binauralen Beats das Gehirn dazu anregen, seine Gehirnaktivität herunterzufahren, was in langsameren (niedrigfrequenten) Gehirnwellen resultiert – und das könne Menschen dabei helfen, sich besser zu entspannen, Angst zu reduzieren sowie das Einschlafen einfacher und den Schlaf auch insgesamt erholsamer zu machen.
Schlafpsychologe Breus gibt uns aber abschließend noch einen wertvollen Hinweis: Die individuellen Unterschiede zwischen Personen scheinen bei den Binaural Beats sehr ausschlaggebend zu sein. Es sieht derzeit so aus, dass manche Personen bei der Methode für sich eine Wirkung feststellen können, andere wiederum nicht. Da hilft nur: Ausprobieren. Bei mir persönlich konnte ich bisher noch keine Auswirkungen feststellen, allerdings habe ich mich dabei auch nicht an ein EEG angeschlossen 😉
Andere Forscher sind derzeit bei ihrer Beurteilung der Binaural Beats noch zurückhaltender und betonen, dass noch viel wissenschaftliche Forschung nötig sei, um überhaupt etwas Vernünftiges zur Wirkung dieser Methode sagen zu können. Schlafpsychologe John Cline stellt in seinem Artikel zu den Binaural Beats heraus, dass es in der wissenschaftlichen Literatur derzeit auch gemischte und konfligierende Forschungsergebnisse gebe. Derzeit gibt es jedenfalls noch keine substanziellen wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit.
Trotzdem findet man auf Spotify mehrere zusammengestellte Playlists mit Binaural Beats zu den verschiedensten Zwecken: Schlafen, Entspannen, Meditieren oder Konzentration. Die Playlists sind so aufgebaut, dass sie einen allmählichen Übergang zum Zielfrequenzbereich der Hirnwellen einleiten. Die Playlist intendiert, das Gehirn „an die Hand zu nehmen“ und gemächlich Schritt für Schritt zum Zielzustand zu bringen. Daher ist die Reihenfolge des Hörens mitunter wichtig. Hier eine kleine Übersicht:
Selbsthypnose bei Schlafproblemen
Bei andauernden Schlafproblemen kann man AUCH auf die Kraft der Selbsthypnose setzen. Es gibt dazu einige gute Ratgeber:
Im Grunde versuchen die meisten hypnotherapeutischen Ansätze zum Schlaf das wiederherzustellen, was wir verloren haben: Nämlich die unhinterfragte, natürliche Fähigkeit, mit der wir als Kind geschlafen haben. Eine kleine hypnotherapeutische Einstreuungstechnik muss man wohl auch Somnologe Weeß unterstellen, wenn er schreibt:
„All diejenigen, die ein Schlafproblem haben und nicht mehr darauf vertrauen, dass ihr Körper von alleine schlafen kann, mögen sich daran erinnern, wie es früher war, als sie noch gut schliefen: Kein Gedanke wurde daran verschwendet, ob man müde ist, gleich einschlafen wird oder nicht.“ (Weeß 2018)
Wer sich dafür nicht selbst in die Hypnotherapie einlesen möchte, für den gibt es natürlich jede Menge „Schlafhypnosen“ auf YouTube, Amazon und Spotify – mit variierender Seriosität und Qualität.
Kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I)
CBT-I ist die Kurzform für „Cognitive Behavioral Therapy for Insomnia“, was auf Deutsch so viel wie „Kognitive Verhaltenstherapie für/bei Insomnie“ heißt. Die CBT-I zielt auf eine Veränderung der (schlechten) Schlafgewohnheiten und Gedankenmustern ab. Durch den Aufbau schlaffördernder Verhaltens- und Denkweisen wird die Insomnie nachweislich besser.
Wirksamkeit der CBTI
Schlafforscher Prof. Dr. Matthew Walker hält diese Therapieform für das Mittel der Wahl bei Schlafproblemen – in Wirksamkeit und Nachhaltigkeit allen Schlaftabletten überlegen:
„Beweise, die für eine CBT-I als Alternative zu Schlafmitteln sprechen, sind so überzeugend, und die CBT-I hat im Gegensatz zu Medikamenten so wenig Nebenwirkungen, dass das American College of Physicians im Jahr 2016 eine wegweisende Empfehlung aussprach. […] CBT-I sollte die Behandlung der Wahl für alle Personen sein, die an chronischer Insomnie leiden, Schlaftabletten dagegen nicht.“ (Walker 2018: 394-397)
Die größte Hürde für die Wirksamkeit der CBT-I ist das Commitment des Patienten. Einige der Verhaltensweisen, die in der CBT-I eingeübt werden sollen, sind nicht einfach (z.B. Schlafrestriktion) oder brauchen Willenskraft und langfristige Disziplin (z.B. Schlafhygiene, Stimuluskontrolle und regelmäßige Entspannungsübungen).
Wirksamkeit von Online-CBT-I
Es gibt einige internet-basierte Schlaf-Programme auf Basis der CBT-I. Viele kleineren wissenschaftlichen Studien bescheinigen vielen dieser Verfahren eine gewisse Wirksamkeit – sie helfen Menschen, eine gute Schlafhygiene aufzubauen, Entspannungsverfahren zu lernen und gute Schlafgewohnheiten zu etablieren (und die schlechten Gewohnheiten aufzugeben).
Wie sieht die CBT-I genau aus?
Die CBT-I ist eine mehr oder weniger systematische Ansammlung verschiedener Strategien, die nachweislich gegen Schlafprobleme helfen. Üblicherweise besteht die CBT-I aus folgenden Kompetenten, die man nicht nur im Rahmen einer Therapie einsetzen kann – jede für sich eignet sich auch als wirksamer „Schlaf-Tipp“ für gesunde Schläfer.
- Schlaftagebuch (Schlaf-Tracking)
- Stimuluskontrolle (Umkonditionierung)
- Schlafhygiene (gute/schlechte Gewohnheiten)
- Schlafrestriktion (Schlafkompression, Schlafkonsolidierung)
- Entspannungstechniken (gegen ein überaktives sympathisches Nervensystem)
- Kognitive Umstrukturierung (neue Glaubenssätze bilden)
- Rückfallprävention (Teufelskreise unterbrechen)
1. Schlaf-Tagebuch
Das Schlaf-Tagebuch ist oft die erste Maßnahme der Schlaftherapie.
Um einfache Einsichten über den eigenen Schlaf gewinnen, braucht man nicht zwingend teure Messtechnik. Es kann schon helfen, nach Zusammenhängen zu fahnden, also Korrelationen: Wann immer A auftritt, geschieht B. Das genügt es – handschriftlich oder mit einer App – ein Schlaftagebuch zu führen. Dort kann man wichtige Parameter festhalten (Schlafenszeit, geschätzte Schlafdauer, geschätzte Wachzeit im Bett, gefühlte Schlafqualität, Leistungsfähigkeit am Folgetag, etc.). Über einen längeren Zeitraum hinweg lassen sich damit Wechselwirkungen beobachten, aus denen sich wichtige praktische Konsequenzen ableiten lassen. Das Schlaftagebuch erfüllt dabei verschiedene Funktionen:
a) Bestandsaufnahme
Zunächst einmal verschafft ein Schlaf-Tagebuch der schreibenden Person einen Überblick über die aktuellen Schlafgewohnheiten: Was stellt sich die aktuelle Situation dar? Wie schläft die Person derzeit? Welche Symptome verursachen die Schlafschwierigkeiten? Gibt es medizinische oder medikamentöse Einflüsse, die den schlechten Schlaf (teilweise) erklären könnten? Seit wann bestehen die Schlafprobleme? In welchen Phasen waren sie besser, in welchen besonders schlimm? Welche Maßnahmen wurden bisher von der Person ergriffen, sich selbst zu helfen? Gibt es vielleicht diagnostisches Wissen aus psychotherapeutischen, ärztlichen und/oder schlafmedizinischen Untersuchungen?
b) Probleme und Lösungswege identifizieren
Hat man erstmal einen Überblick über die eigenen Schlafmuster und Verhaltensweisen – idealerweise über einen längeren Zeitraum von wenigen Wochen –, lassen sich nun auch Probleme und Lösungswege erkennen.
Ein nüchterner Blick auf das Schlaf-Tagebuch könnte offenbaren, dass eine Person öfters abends beim Fernsehgucken einschläft und in der Folgenacht dann über schlechten Schlaf klagt. Außerdem fällt bei der Durchsicht vielleicht auf, dass die Person mehr Koffein konsumiert als angenommen – und das auch später am Tag als gedacht. Auch externe Störungen durch spät noch feiernde Untermieter oder früh schon rasenmähende Nachbarn können hier ins Auge fallen.
Außerdem könnte mir auffallen, dass immer, wenn ich abends einen Horrorfilm geschaut habe, ich in der Nacht dreimal so häufig durch Albträume wach geworden bin wie an Tagen ohne Horrorfilm. Daraus könnte ich ein neues Verhalten ableiten.
Wenn ich z.B. feststelle, dass ich bei einer Schlafenszeit von 22:00 – 6:00 in 4 von 5 Fällen mich morgens wie gerädert fühlte, dann aber wiederum bei einer Schlafenszeit von 0:00 – 8:00 in 7 von 7 Fällen mich morgens recht fit gefühlt habe, könnte ich daraus ableiten, dass ich vielleicht einen späteren Biorhythmus habe und mehr profitieren würde, wenn ich erst um 0:00 schlafen gehe.
Die Datenmenge, die dabei entsteht, wenn man akribisch die eigenen Schlafgewohnheiten protokolliert, kann unter Umständen schon wichtige Einsichten bereitstellen, wie das Schlafproblem möglicherweise zu verbessern ist. Wenn man z.B. durch das Tagebuch sehen kann, dass der Schlaf von 0:00 bis 8:00 fast immer schlechter ist als der Schlaf von 1:00 bis 9:00, sind das wichtige Einsichten in Bezug auf die natürlichen Rahmenbedingungen, die eine Person mit einem speziellen Biorhythmus benötigt. Wenn zusätzlich auch der positive Einfluss von Sport auf die Folgenacht klar wird – und der negative Einfluss von späten üppigen Mahlzeiten –, sind das alles schon Wege, wie die Person sich kurzfristig helfen kann. Diese Dinge werden oft übersehen, wenn man sie nicht nüchtern protokolliert, weil sie nicht immer bewusst und intentional ablaufen.
Das Schlaftagebuch das einfachste und billigste Mittel, um grundlegenden Zusammenhängen auf die Spur zu kommen.
c) Erfolgs-Tracking und Lernen
Führt man das Schlaf-Tagebuch auch während der „Behandlung“ der Schlafprobleme fort, kann man sich über die Wochen hinweg anschauen, wie gut es funktioniert. Das hilft bei der eigenen Motivation, denn wenn Menschen erkennen – schwarz auf weiß –, dass es Verbesserung gibt, dann bleiben sie am Ball.
Außerdem könnte man dann im Laufe der Behandlung versuchen, den Einfluss einzelner Faktoren zu testen und das Schlafprogramm weiter zu personalisieren. Das Motto dabei ist: Rausfinden, was hilft; und rausfinden, was nicht hilft – und dann mehr vom Ersten und weniger von Zweiten machen.
Dazu könnte man auch sogenannte A/B-Tests machen, also zwei verschiedene Settings miteinander vergleichen. Dabei könnte ich z.B. prüfen, wie ich an 10 Tagen mit einer Zimmertemperatur von 22 Grad schlafe; und wie ich an 10 Tagen mit 18 Grad schlafe. Wichtig ist hier natürlich – wie in der Wissenschaft – möglichst Störfaktoren auszuschließen. Wenn ich die 10 Tage bei 18 Grad z.B. in meinem Urlaub machen, die andere Phase hingegen in einer Klausurenphase oder in einer Phase mit hohem beruflichem Stress, werden die Ergebnisse verzehrt. Ich muss versuchen, bestmöglich die Faktoren zu isolieren und für vergleichbare Randbedingungen zu sorgen, was im Alltag manchmal eine Herausforderung sein kann.
Schlaf-Tagebuch: Kostenlose Vorlagen zum Ausdrucken
Im Internet gibt es sehr gute Ausfüll-Vorlagen für ein Schlaftagebuch. Diese stammen von seriösen Quellen.
Schlaf-Tagebuch: Apps
Es gibt viele Apps für Android und iOS, die unterschiedliche Funktionen mitbringen und teils kostenlos (werbebasiert), teils kostenpflichtig sind. Dazu einfach im App Store die Suchfunktion nutzen – hier zwei Vorschläge für Android:
2. Stimuluskontrolle
Ein Stimulus ist ein Reiz, der in uns eine (emotionale, körperliche, mentale) Reaktion hervorruft. Man könnte auch „Trigger“ oder „Auslöser“ dazu sagen. Ein solcher Auslöser kann für viele Schlafgeplagte das eigene Bett sein: Anstatt wie andere ein warmes, angenehmes Gefühl von Geborgenheit zu verspüren, löst der Anblick des eigenen Bettes vielleicht so etwas wie Angst aus, dass man wieder kein Auge zumachen kann; oder Frustration, weil das Einschlafen einfach nicht klappt; oder aber ein Gefühl von Qualen, die man Nacht um Nacht in diesem Bett erleiden musste, während die Sorgen und Gedanken gerast sind, während andere friedlich schlafen konnten.
In einem solchen Fall ist das Bett also ein Stimulus, der starke negative Reaktionen in uns auslöst. Dann können wir uns nicht mehr auf das Bett freuen, sondern haben eine ganze Reihe negativer Erwartungen und Befürchtungen. Und diese sorgen dann wiederum dafür, dass wir erst recht nicht einschlafen können. Außerdem wird in unserem Gehirn eine Verknüpfung stärker und stärker: Zeit im Bett = qualvolles Wachliegen. Dann assoziiert unser Organismus das Bett immer mehr mit dem Wachliegen, obwohl es eigentlich mit dem Schlafen verknüpft sein sollte.
Ziel der Stimuluskontrolle ist es daher, das Zubettgehen zu einem positiven Stimulus zu machen, damit ich mich wieder auf mein Bett freuen kann, damit ich mich darin wohl fühle und leicht einschlafen kann. Außerdem soll das Bett und die Zeit im Bett mit dem Schlafen verknüpft sein, damit mein Organismus ganz genau weiß, was kommt, wenn ich ins Bett gehe, nämlich nur das Schlafen.
Dafür ist es wichtig, dass Bett nicht mehr mit anderen Tätigkeiten zu verbinden. Wenn man nachts lange wach liegt, im Bett bis spät am Laptop arbeitet oder jeden Abend vor dem Fernseher isst, dann sind das „mixed signals“ für unseren Körper. Es ist dann nicht mehr klar, ob er im Bett nun schlafen soll oder nicht.
Die Stimuluskontrolle verbietet alle Tätigkeiten im Bett – außer Schlafen und Sex.
Das gilt auch für das Wachliegen: Wenn man nicht schlafen kann, muss man nach 20 Minuten Wachliegen das Bett verlassen, etwas Entspannendes tun und erst dann zurückkehren, wenn man wieder müde ist. Das gilt auch, wenn man nachts oder früh morgens wach wird und nicht wieder einschlafen kann. Bei schweren Schlafstörungen (schwere Schlafprobleme) gilt das Verbot auch für das Lesen.
Dabei kann es sinnvoll sein, nicht nur das Bett ausschließlich mit dem Schlafen zu verknüpfen, sondern das Schlafzimmer als Ganzes – natürlich je nach individueller Wohnsituation.
3. Schlafhygiene
So wie es für die körperliche Hygiene Dinge gibt, die man zur Förderung der Hygiene tun kann (duschen z.B.), und natürlich auch Dinge, die man zur Gefährdung der Hygiene tun kann (z.B. nach einer Fahrt im vollen Stadtbus in der Nase popeln), gibt es auch Dinge, die man zur Förderung bzw. Gefährdung des eigenen Schlafs tun kann.
Schlafhygiene bezeichnet eine Strategie, bei der man möglichst viele gute Gewohnheiten um den Schlaf herum aufbaut – und die schlechten Gewohnheiten bleiben lässt.
Die wichtigsten Regeln der Schlafhygiene:
4. Schlafrestriktion
Diese Methode klingt zunächst kontraintuitiv, denn sie besteht darin, absichtlich weniger zu schlafen. Dadurch wird die Person zwar am nächsten Tag nicht 100% ausgeruht sein, aber genau das ist der Sinn: Der sogenannte Schlafdruck nimmt zu.
Viele Schlafgeplagte tun nämlich etwas, das erstmal naheliegend ist, aber zur Aufrechterhaltung der Schlafstörung und der Schlafprobleme beiträgt: Sie schlafen morgens länger oder gehen abends früher ins Bett, um das Schlafdefizit bzw. die mangelnde Schlafqualität durch Quantität auszugleichen. Das späte Aufstehen führt aber nun dazu, dass die Person abends weniger müde ist, weil nicht genug Adenosin aufgebaut werden konnte. Zu viel Schlaf kann also auch hinderlich sein.
Die Methode der Schlafrestriktion limitiert die Zeit, die jemand im Bett verbringen und schlafen darf. Dazu wird in einem ersten Schritt gemessen, wie viel Schlaf eine Person derzeit faktisch bekommt – also nicht die Zeit, die sie nachts im Bett liegt, sondern die Zeit, die die Person auch wirklich schläft. Sind das 6,5 Stunden Schlaf bei 8 Stunden im Bett, dann werden die 6,5 Stunden zum Ausgangswert der Schlafrestriktion: Man darf jetzt nur noch 6,5 Stunden im Bett. Das heißt konkret: Man darf nun in keinem Fall vor z.B. 0:00 ins Bett gehen und auch nicht auf der Couch dösen; und man muss morgens um 6:30 aufstehen – egal, wie gut und wie viel man geschlafen hat.
Dadurch wird über einige Tage gezielt ein leichtes Schlafdefizit aufgebaut, d.h. die Person ist in den ersten Tagen durchaus noch etwas müder als sonst. Aber dadurch nehmen auch Schlafdruck und Schlafbedürfnis immer mehr zu. Dadurch schläft die Person mit der Zeit immer schneller ein und besser durch. Sie wacht nachts seltener auf und der Anteil der Schlafenszeit an der Bettzeit nimmt immer weiter zu.
Sobald die Schlafqualität dadurch wieder ein gutes Niveau erreicht hat, wird die Zeit im Bett langsam verlängert, damit die Person langfristig genug Schlaf bekommt. Bei einer erfolgreichen Behandlung wird der Schlaf dadurch etwas nicht weniger gut – die Person kann jetzt auch bei normalen Schlafzeiten schnell einschlafen und gut durchschlafen.
Der Wert, an dem man sich während der Schlafrestriktion orientieren sollte, ist die Schlafeffizienz. Das ist der Anteil der Schlafenszeit an der Bettzeit. Wenn ich also 10 Stunden im Bett liege und davon 7 Stunden schlafe, habe ich eine Schlafeffizienz von 70%.
Zu Beginn der Schlafrestriktion beginne ich also mit einer Bettzeit in Höhe meiner bisherigen Schlafenszeit – im obigen Fall 6,5 Stunden. Das mache ich solange, bis meine Schlafeffizienz den Wert 90% erreicht hat. Ab diesem Wert darf ich nun die Bettzeit um 20-30 Minuten erhöhen, also von 6,5 Stunden auf 7 Stunden. Wenn die Schlafeffizienz während der Schlafrestriktion (z.B. nach einer Verlängerung der Schlafenszeit) unter 80% rutscht, muss ich meine Bettzeit wieder um 20-30 Minuten verkürzen – dadurch steigt der Schlafdruck wieder, und die Schlafeffizienz nimmt wieder zu.
Dann warte ich wieder solange, bis die Schlafeffizienz über 90% liegt, und verlängere die Bettzeit wieder. Das mache ich solange, bis ich die Gesamtzeit erreicht habe, die ich benötige, um ausreichend Schlaf zu erhalten, ohne dass die Schlafqualität darunter leidet.
Dadurch gibt es auch einige „Nebenwirkungen“ dieser Therapie gegen Schlafstörungen bzw. Schlafprobleme, z.B. gewisse Einschränkungen tagsüber:
Allerdings sind dies nur vorübergehende Nebenwirkungen, die über die Wochen hinweg weniger werden und schließlich ganz verschwinden.
Schlafkompression: die nette Schwester der Restriktion
Es gibt aber auch eine weniger intensive Form dieser Therapie – statt Schlafrestriktion setzt man dabei auf die Schlafkompression. Die Restriktion beinhaltet einen „harten Cut“ zu Beginn der Behandlung, nämlich den Sprung der Bettzeit auf die faktische Schlafenszeit. Dieser harte Übergang kann anstrengend sein und tagsüber zu Einschränkungen führen.
Bei der Schlafkompression misst man zwar zu Beginn auch die Schlafenszeit und Bettzeit, allerdings versucht man dann Schritt für Schritt die Bettzeit zurückzufahren. Wer z.B. 8 Stunden im Bett liegt und davon 6 Stunden schläft, hat eine Wachzeit von 2 Stunden. Diese wird nun über die Dauer der Maßnahme aufgeteilt, z.B. über einen Verlauf von 6 Wochen. Man beginnt also mit einer Bettzeit von 8 Stunden und reduziert diese Woche um 20 Minuten. Dann ist man nach 3 Wochen bei 7 und nach 6 Wochen bei 6 Stunden Bettzeit angekommen. Über den gesamten Zeitraum wird wie bei der Restriktion die Schlafeffizienz gemessen.
5. Entspannung
Der gemeinsame Nenner aller Insomnien ist eine Überaktivierung des sympathischen Nervensystems. Dem kann man gut entgegenwirken, indem man Entspannungstechniken erlernt und einsetzt. Mögliche Kandidaten sind die Progressive Muskelentspannung (PMR), Autogenes Training (AT), Meditation oder Yoga.
Dadurch kann man erstens schneller einschlafen und besser durchschlafen, wenn man die Übung unmittelbar vor dem Schlafen macht.
Zweitens trainiert man mit jeder Übungseinheit auch die Fähigkeit des eigenen Körpers, schneller von Anspannung auf Entspannung umzuschalten, sodass man auch abends etwas davon hat, wenn man morgens eine Entspannungsübung macht.
Die Effekte und den Erfolg von Entspannungsübungen kann man mit Biofeedback-Geräten tracken, was beim Lernen und in Sachen Motivation helfen kann.
6. Kognitive Umstrukturierung
Die Methode der kognitiven Umstrukturierung hat das Ziel, eine hilfreiche innere Einstellung und hilfreiche Glaubenssätze in Bezug auf den eigenen Schlaf zu entwickeln. Denn auch das, was in unserem Kopf vorgeht, kann uns dabei helfen – oder behindern – gut zu schlafen.
Dabei werden gezielt Sorgen und negative Gedanken abgebaut, die eine Person nachts wachhalten können. Weiterhin wird gezielt eine funktionale Einstellung zum Thema Schlaf eingeübt. Dabei werden z.B. realistische Erwartungen an den Schlaf und seine Auswirkungen für den Folgetag erarbeitet. Weiterhin darf der Schlaf nicht als Ursache allen Übels gesehen werden: Nicht alle unsere Probleme am Tag kommen von schlechtem Schlaf. Außerdem ist es wichtig, die negativen Folgen von schlechtem Schlaf nicht zu überschätzen – Schlafmangel hat kurzfristig erstmal keine fatalen Folgen. Und schließlich ist es wichtig zu wissen, dass der Versuch einzuschlafen oft hinderlich beim Einschlafen ist: Je mehr man es versucht, desto länger liegt man wach. Das gilt auch für den Schlaf insgesamt: Je mehr man sein eigenes Leben auf den Schlaf ausrichtet und über nichts anderes mehr nachdenkt, desto schwieriger wird es. Daher sollte man tagsüber auch andere Dinge angehen und dem Schlaf nicht so viel Platz im eigenen Leben einräumen. Das heißt natürlich nicht, sich nicht mehr an die Schlafhygiene zu halten, sondern sich nicht mehr allzu lange damit zu beschäftigen.
7. Nachhaltigkeit/Rückfallprävention
Sind die Schlafprobleme einmal überwunden, heißt das leider nicht, dass man nie wieder in seinem Leben in eine entsprechende Schieflage kommen könnte. Schlafschwierigkeiten können auch in Zukunft noch auftreten – vor allem akute Schlafprobleme als Reaktion auf vorübergehenden Arbeitsstress oder Familienprobleme. Wichtig ist es hier, die akuten Schlafprobleme nicht zu einer chronischen Schlafstörung werden zu lassen. Dazu sollte man sich an einige Regeln halten: Schlafmangel nicht durch Erhöhung der Bettzeit kompensieren – sonst nimmt die Schlafqualität ab. Weiterhin sollte man bei sich anbahnenden Schlafproblemen sofort wieder eine gute Schlafhygiene einhalten. Wenn die Probleme schlimmer werden, sollte man erneut zur Schlafrestriktion bzw. -kompression zurückkommen.
Im Grunde geht es also darum, die Kettenreaktion bzw. den Teufelskreis einer Chronifizierung zu unterbrechen. Dann bleiben Schlafprobleme auch in Zukunft temporär – und werden nicht zu einer dauerhaften Schlafstörung.
Die ACT bei Schlafproblemen: Einfach gar nichts tun
Es gibt einen außergewöhnlichen Ansatz unter den Behandlungsmethoden von Schlafproblemen. In seinem Buch „Schlaf gut! – Das Geheimnis erholsamer Nachtruhe“ entfaltet Guy Meadows eine Behandlungsmethode, die auf der Acceptance and Commitment Therapy (ACT) basiert, die wiederum eine Spielart der kognitiven Verhaltenstherapie ist, gepaart mit viel Achtsamkeit und Akzeptanz.
Meadows Methode adressiert ein Grundproblem bei Schlafstörungen: Je mehr man gegen seine Schlafprobleme ankämpft, desto mehr verfestigen sie sich. Wer z.B. abends versucht, mit aller Macht einzuschlafen, dem wird genau das am wenigsten gelingen.
Je mehr man versucht, gegen die Schlaflosigkeit anzukämpfen, desto stärker wird sie.
Dazu passt, dass gute Schläfer gar nicht sagen können, was sie genau tun, um so gut zu schlafen. Sie können leider keine Tipps geben. Wenn man einen guten Schläfer fragt, was sein Geheimnis ist, dann wird er sich vielleicht das erste Mal in seinem Leben selbst diese Frage stellen – und wird vermutlich keine sinnvolle Antwort finden. „Ich schlafe halt einfach“ oder „Da hab ich mir irgendwie noch nie Gedanken drüber gemacht“ könnten typische Antworten sein.
Denn der Schlaf ist etwas, das man grundsätzlich nicht „machen“ kann. Den Schlaf muss man kommen lassen, man muss sich ihm übergeben, und manchmal auch den Wunsch nach Schlaf loslassen, damit er einen heimsuchen kann.
Was kann man also tun, um gut zu schlafen? Die triviale Antwort ist: Nichts.
Oder etwas konkreter: Sich nicht mit diesem Problem beschäftigen, sich keine Gedanken darüber machen, sein Leben nicht danach richten, andere Interessen verfolgen, sich mit anderen Dingen beschäftigen, und den eigenen Schlaf eher wie das Wetter behandeln: Es macht sowieso, was es will; und jede Anstrengung, dagegen anzukämpfen, macht alles nur noch schlimmer. Wir lieben das Wetter nicht immer, aber wer sich nicht allzu lange mit dem miesen Wetter beschäftigt, der bemerkt es kaum und kann sich wichtigeren Dingen zuwenden.
Fragt man aber nun eine Person mit Schlafproblemen, so wird diese die Frage, was sie denn tue, um gut zu schlafen, mit einer ellenlangen Antwort bedienen: Schlafhygiene, regelmäßige Schlafenszeiten, kein Koffein, abends wenig Kohlenhydrate, tagsüber Sport, abends Progressive Muskelentspannung, Lichtdämmung am Abend, Melatonin-Tabletten…
Manchmal – aber eben nur manchmal, und hier liegt die große Schwäche dieses Ansatzes! – führt das gerade zum Gegenteil: Man schläft durch all diese Maßnahmen nicht besser, sondern noch schlechter. Was dieser Behandlungsansatz dabei aber systematisch unterschlägt ist die Tatsache, dass viele Veränderungsversuche tatsächlich Früchte tragen können. Es ist eben doch etwas anderes, gegen das Wetter anzukämpfen oder gegen die eigenen Schlafstörungen bzw. Schlafprobleme. Nicht alle Schlafstörungen kann man beliebig gut verbessern, aber bevor man seine Schlafprobleme akzeptiert, könnte es ja durchaus hilfreich sein, sich anzuschauen, ob es so gut ist, 18 Stunden am Tag durchzuarbeiten und im Bett vorm Laptop ohne Blaulichtfilter einzudösen, während auf dem Nachttisch vier leere Dosen Energy Drinks stehen.
Es macht keinen Sinn, die Realität zu akzeptieren, solange wir sie noch ändern können. Der Ansatz der ACT liegt auch in der Psychotherapie nicht darin, sich einfach mit all seinen Problemen abzufinden – sondern zuerst zu versuchen, etwas zu verändern, und dann, mit Augenmaß, zu sehen, was vielleicht auch bei den allergrößten Anstrengungen nicht verändert werden kann, und dieses unveränderliche Übel dann einfach zu akzeptieren und sich nicht damit zu beschäftigen.
Ein anderes Beispiel: Wenn man Krebsvorsorge betreiben will, muss man zwei Dinge wissen. Erstens können wir unser Krebsrisiko durch aktive Maßnahmen deutlich reduzieren. Zweitens ist Krebs eine nicht bis ins letzte kontrollierbare natürliche Mutation, sodass es lediglich um eine Reduktion der Wahrscheinlichkeit geht, nicht um eine Garantie. Es gibt unzählige Raucher, die steinalt werden; und leider auch unzählige Menschen, die vorbildlich gelebt haben, und trotzdem Krebs bekommen. Nun aber die Frage: Sollte man sich daher einfach mit dem Umstand abfinden, das Krebs nicht kontrolliert werden kann? Soll man einfach drauflos rauchen, wenig schlafen, viel Stress haben, sich den besten Chemikalien aussetzen? Natürlich nicht!
Wir sollten zweierlei tun: Wir sollten unser Bestmögliches tun, um Krebs zu verhindern. Das muss nicht heißen, auf alles zu verzichten, sondern gute Kompromisse zu machen und die größten Krebsverursacher zu umschiffen. Zweitens sollten wir aber ab einem gewissen Punkt anerkennen, dass wir auch durch eine ausgetüftelte Lebensweise keine Kontrolle über Leben und Tod haben. Ab einem gewissen Punkt muss ich anerkennen, dass weitere Anstrengungen kaum noch erkennbaren Nutzen bringen würden, aber sehr hohe Kosten verursachen. Nicht rauchen, nicht zu viel trinken, viel bewegen, genug schlafen, immer wieder Stress abbauen – das ist eine sehr gute Strategie.
Aber bei jedem Kosmetikprodukt stundenlang Studien zu recherchieren, ob nun dieses oder jenes Mittel eventuell in Mäusen zu einem signifikanten Anstieg von Metastasen geführt hat – steht nicht immer im Verhältnis dazu. Wir wollen ja unser Leben schützen – dann sollten wir es vor lauter Schutz nicht verpassen. Sonst ist man irgendwann steinalt und hat gar nicht mitbekommen, wie man dorthin gekommen ist.
Also: Verändern, was wir verändern können; und mit dem zu leben lernen, was wir nicht verändern können. So sollten wir es auch beim Schlaf machen. Es macht keinen Sinn, zu früh mit dem Akzeptieren anzufangen, weil dann wertvolles Veränderungspotenzial verloren geht. Wenn man friert, kann man sich einfach auch was Warmes anziehen, anstatt akzeptieren zu lernen, dass man friert.
Wir sollten also erstmal versuchen, die Bedingungen für einen erholsamen Schlaf zu schaffen. Ich spreche bewusst von Bedingungen, weil dies keine Garantien sind. Man kann den natürlichen Schlaf nicht erzwingen – nur die Betäubung oder das Koma. Der Schlaf kommt von selbst, wenn und wann er möchte. Aber wir können es ihm besonders einfach machen und besonders bequem, damit er Lust hat, zu kommen und zu bleiben. Wir sollten also unseren Anteil dazu beitragen, und dann erst den Wunsch fahren lassen, dass der Schlaf kommen möge.
„Wollen wir dem Schlaf den roten Teppich ausrollen, ist es von Bedeutung, dass wir alle großen und kleinen Sorgen des Alltags vor der Schlafzimmertür abgegeben haben. Es geht darum, dass wir uns jede Nacht für acht Stunden entpflichten und quasi in unserem Schlafzimmer auf Urlaub gehen. […] Wenn wir uns wohl und geborgen fühlen und uns schöne Gedanken machen, schaffen wir die für den Schlaf notwendige Entspannung. Sie ist der rote Teppich, der Königsweg in den Schlaf. Wann er den roten Teppich betritt, liegt aber nicht in unserer Macht. Der Schlaf hat seinen eigenen Kopf und lässt sich nicht in die Karten schauen. Demut ist gefragt, zum Leidwesen vieler Menschen mit Schlafstörungen, die den Schlaf so sehnlich herbeiwünschen und bereit sind, alles dafür zu tun, dass er nur endlich kommen möge. […] Sollten wir den Schlaf zwingen oder mit einigen Tricks gar überlisten wollen, dass er doch rascher auf unseren flauschigen roten Teppich kommt, reagiert er bockig und bleibt weg. Er will sich nichts vorschreiben lassen. Je mehr wir uns anstrengen, ihn zu locken, desto mehr vertreiben wir ihn.“ (Weeß 2018)
Tatsächlich ist der Schlaf etwas, das man nicht herbeizaubern kann. Auch einen kreativen Einfall kann man nicht produzieren, er muss einem von selbst kommen, es ist eine Empfängnis, keine Herstellung. Aber es gibt Bedingungen, unter denen einem viele Einfälle kommen, und Bedingdungen, die das sehr unwahrscheinlich machen, z.B. wenn man sich nicht bewusst Zeit dafür nimmt und viel zu sehr mit Hektik und Arbeit beschäftigt ist. Wie kreative Gedanken kann man den Schlaf nur einladen und es ihm möglichst bequeum machen. Kommen kann er nur selbst. Ab hier kann man nichts mehr tun – und darf sich wieder anderen Dingen widmen.
Medizinisch-therapeutische Hilfe bei Schlafstörungen
Wer sich bei Schlafstörungen bzw. Schlafproblemen sich professionelle Hilfe suchen möchte, dem rät Schlafforscher Walker die Website der Deutschen Stiftung Schlaf. Dort gibt es Infos zu Schlafzentren – deutschlandweit.
Somnologe Weeß empfiehlt, bei der Suche zunächst den Hausarzt anzusprechen. Danach gibt es verschiedene Optionen: Fachärzte, Psychotherapeuten, Gruppentherapie, Schlaflabor, etc.
Es gibt in Deutschland einige auf Schlafstörungen / Schlafprobleme spezialisierte Kliniken. Dort sind stationäre Aufenthalte bei schweren und chronischen Schlafstörungen möglich. Eine Liste der Kliniken findet man laut Weeß unter www.dgsm.de.
Bei einer unklaren und/oder chronischen Schlafstörungen rät der Somnologe eine schlafmedizinische Untersuchung im Schlaflabor.
Gesellschaftliche Lösungen für Schlafprobleme
Eine der besten und wirkungsvollsten Lösungen für Schlafprobleme könnte ein gesellschaftliches Umdenken sein.
Unternehmen wie Google bieten flexible Arbeitszeiten an, die sich nach dem Schlaftyp des Mitarbeiters – ob Abendmensch oder Morgenmensch. Das macht Google nicht primär aus Gründen der Nettigkeit. Es lohnt sich einfach betriebswirtschaftlich nicht, an Schlaf mangelnde Mitarbeiter zu beschäftigen.
Auch unsere Gesellschaft muss umdenken. Derzeit gilt Schlafmangel als schick. Wir deuten ein Schlafdefizit als Zeichen von Opferbereitschaft. Wer wenig schläft, ist fleißig. Wer wichtig ist, hat nicht viel Zeit zum Schlafen. Diese gesellschaftlichen Normen lassen sich wissenschaftlich nicht rechtfertigen – im Gegenteil sind es die ausgeschlafenen Mitarbeiter, die die beste Leistungsfähigkeit und Innovationskraft mitbringen.
Wir müssen aufhören, Menschen als faul abzustempeln, die einfach ihrer eigenen Chronobiologie folgen. Sie schlagen uns in jedem Konzentrations- oder Performance-Test um Längen! Außerdem sind sie seltener krank als wir. Sie leben länger. Sie arbeiten effektiver. Und sind innovativer.
„Ich bin davon überzeugt, dass es höchste Zeit ist, unser Recht auf ausgiebigen Nachtschlaf einzufordern, ohne uns dafür schämen zu müssen oder als faul abstempeln zu lassen.“ (Walker 2018: 464)
Gute Gründe für guten Schlaf
Aber es geht nicht nur um gesellschaftliche Veränderungen. Ich selbst muss dem Schlaf eine hohe Priorität in meinem Leben einräumen. Ich selbst muss stolz darauf sein, dass ich genug schlafe. Und das schlichtweg aus egoistischen Gründen:
Sollte ich nicht dafür sorgen, dass ich genug schlafe, weil ich dann länger lebe? Weil ich dann seltener krank werde? Weil ich dann mehr Geld verdiene? Weil ich dann bessere Leistungen und mehr Innovationen zustande bringe? Weil ich weniger Angst und Stimmungsprobleme habe? Weil ich dadurch glücklicher und zufriedener bin?
Menschen würden Millionen ausgeben für eine Pille, die das leisten könnte. Und wir haben sie schon längst, ohne Investment, ohne Nebenwirkungen.
Literaturtipps (Bücher zum Thema Schlafprobleme)
Die Bücher der beiden in diesem Text so häufig zitierten Schlafexperten kann ich jedem zum Thema Schlafprobleme nur ans Herz legen.
Schlafprobleme: So kann man sie selbst lösen
Alles Wissen um den Schlaf und um Schlafprobleme hilft nichts, wenn man es nicht umsetzt. Man schläft nicht besser, weil man etwas weiß, sondern, weil man etwas (anders) macht. Deshalb folgen nun die praktischen Tipps für einen guten Schlaf.
Alle Tipps habe ich auf der Basis der wissenschaftlichen Schlafliteratur erstellt. Die primären Quellen waren dabei jene Werke, die man unter „Literaturtipps“ findet. Der Haupteinfluss war sicherlich das Buch „Why we sleep“ von Schlafforscher Matthew Walker, Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California, Berkeley.
Auch bei ihm findet sich eine Liste mit 12 Tipps für einen gesunden Schlaf (vgl. Walker: 465-467). Weiterhin gibt es auch im Guide der Harvard Medical School eine sehr schöne Übersicht auf S. 14 der Publikation „Improving Sleep“ .
Dasselbe Schlaf-Wissen in unterschiedlichen Formaten: 4 verschiedene Listen
All diese Texte und vieles mehr habe ich genutzt, um die folgenden Listen mit Schlaftipps zu erstellen. Da Menschen oft unterschiedliche Formate bevorzugen, habe ich versucht, dieselben Inhalte in unterschiedlich ausführliche Listen zu bringen.
- Für die, die es gerne vollständig mögen, empfehle ich die erste Liste. Dort findet man auch Erklärungen, warum diese Tipps jeweils so wichtig für den eigenen Schlaf sind: 10 Tipps für einen guten Schlaf (alles, was man wissen muss)
- Für all jene Menschen, die es lieber übersichtlich möchten, habe ich eine Liste mit nur 5 Tipps angefertigt. Dabei habe ich in einem anderen Artikel teilweise Punkte von der vollständigen Liste zusammengefasst, teilweise auch Dinge weggelassen, die nicht ganz so essentiell sind wie die anderen: 5 Tipps für einen guten Schlaf (die Essentials) (folgt in Kürze!)
- Die dritte Liste ist minimalistisch. Sie ist geeignet für Menschen, die alles verabscheuen, was mehr als 3 Elemente hat. Schließlich ist keine Sache so kompliziert, dass man sie nicht auf 3 unverzichtbare Einsichten runterbrechen können. Und dann gibt es ja auch noch diejenigen, die sich nicht mehr als 3 Dinge merken wollen oder können 😉 In all diesen Fällen empfehle ich die ultrakurze Liste: 3 unverzichtbare Tipps für einen guten Schlaf (minimalistisch)
- Und dann habe ich noch eine Liste gemacht nach dem Motto „Kein Wort zu viel“. Hier gibt es Schlaf-Tipps in kurzem Bullet-Point-Style – ohne Erklärungen, ohne zu viel drumrum. Diese Liste eignet sich z.B. zum Ausdrucken – und ist „highly actionable“, also eine einfache „To-Do-Liste“ für besseren Schlaf: To-Do-Liste für einen guten Schlaf (Bullet Points)
10 Tipps für einen guten Schlaf (vollständige Liste)
- Feste Schlafroutine
Wenn man von allen Schlaftipps nur einen einzigen umsetzen will, „dann sollte es dieser sein“, betont Schlafforscher Matthew Walker: Eine fest Schlafroutine. Die Basis eines gesunden Schlafs besteht darin, seinen Organismus unmissverständlich auf einen festen, unveränderlichen und niemals schwankenden Rhythmus von Schlafenszeit und Aufweckzeit zu konditionieren. Dazu sollte man eine feste Zeit zum Schlafengehen bestimmen und eine feste Zeit zum Aufstehen. Diese Zeiten sollte man immer einhalten, zur Not mit Wecker (auch abends!). Diese Struktur soll auch am Wochenende eingehalten werden, damit der Organismus keine „mixed signals“ bekommt. Die genauen Zeiten sollten so gewählt sein, dass sie der eigenen Genetik entsprechen, also dem eigenen Chronotypen (Eule vs. Lerche) bzw. dem individuellen zirkadianen Rhythmus sowie dem eigenen Schlafbedürfnis (Anzahl der Stunden). Falls möglich, sollte man externe Erfordernisse wie den Beginn der eigenen Arbeitszeit nach seinen Schlafenszeiten richten (z.B. wenn man Gleitzeit hat oder selbstständig ist), nicht umgekehrt. Zu den festen Schlafenszeiten sollte man sich auch ein Ritual angewöhnen, das dem Körper schon möglichst früh signalisiert, dass bald der Schlaf kommt. Dieses Ritual sollte immer dieselbe Abfolge haben, z.B.: 23:00 Tür abschließen, 23:05 Zähneputzen, 23:10 lesen, 23:30 Dankbarkeitstagebuch machen, 23:40 Licht ausmachen und schlafen. Dadurch konditioniert man den Körper auf einen festen Ablauf, und bereits beim Zähneputzen weiß er, wo die Reise hingehen soll und kann sich besser darauf einstellen – das Einschlafen fällt leichter.
- Sport
Wer sich jeden Tag mindestens 30 Minuten bewegt, schläft nachts besser und erholsamer und hat weniger Schlafprobleme. Dafür muss es kein hochintensiver Sport sein. Wichtig ist, dass zwischen dem Ende des Sports und der Schlafenszeit mindestens 2-3 Stunden liegen, damit der Körper den durch Sport verursachten Anstieg der Körpertemperatur wieder ausgleichen kann, und schließlich die Körpertemperatur noch um 1 Grad absenken kann, was das Einschlafen erleichtert und den Schlaf verbessert.
- Kein Koffein, Nikotin oder Alkohol
Wer Schlafprobleme hat, sollte auf Kaffee, Koffein und Nikotin möglichst ganz verzichten. Die Halbwertszeit von Koffein beträgt 6 Stunden, sodass von der Tasse Kaffee am Nachmittag immer noch 50% im Blut sind, wenn wir schlafen wollen. Aber auch von der Tasse früh am Morgen sind noch ¼ im Körper, wenn wir zu Bett gehen. Auch Nikotin erschwert den Schlaf – Raucher schlafen schlechter und wachen Nikotinentzugs oft zu früh am Morgen auf.
Alkohol fördert nicht das Einschlafen, sondern betäubt das Gehirn so lange, bis wir das Bewusstsein verlieren – dieser Zustand sieht auf dem EEG ganz anders aus als natürlicher Schlaf. Alkohol macht nicht müde, sondern narkotisiert. Außerdem schlafen wir bei Alkohol oberflächlicher und weniger erholsam, wir wachen häufiger auf (nicht nur wegen des Harndrangs) und haben deutlich weniger REM-Schlaf.
- Essen & Trinken
Vor dem Schlafengehen sollten wir große und schwere Mahlzeiten vermeiden. Ein leichter Snack ist okay, denn auch ein Hungergefühl kann uns das Einschlafen erschweren. Wenn wir aber zu viel essen, dann stört die Verdauung unseren Schlaf. Wer nachts oft aufs Klo muss, sollte abends nicht allzu viel trinken – am Tag dafür umso mehr.
- Medikamente: So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Viele Medikamente haben einen negativen Einfluss auf unseren Schlaf (z.B. Medikamente gegen Herzbeschwerden, Bluthochdruck, Asthma, auch rezeptfreie Medikamente gegen Erkältungen, Husten oder Allergien). Bei Schlafschwierigkeiten empfiehlt Schlafforscher Walker, mit dem eigenen Arzt oder Apotheker über mögliche Nebenwirkungen zu sprechen und zu prüfen, welche der Medikamente wirklich nötig sind; oder ob die Einnahme am Morgen statt am Abend erfolgen kann.
- Kein Nickerchen
Gegen einen Mittagsschlaf von 20-30 Minuten ist nichts einzuwenden – dieses biphasische Schlafmuster kann den Nachtschlaf sogar verbessern. Allerdings sollten wir uns ab dem Nachmittag nicht mehr hinlegen. Absolutes Gift ist das Einnicken vor dem Fernseher am späten Abend.
- Entspannung
Ein überaktives sympathisches Nervensystem ist der physiologische Hauptgrund für Schlafprobleme. Wenn wir angespannt sind, unter Stress stehen und uns Sorgen machen, sind wir nicht gut für den Schlaf vorbereitet. Entspannungsübungen wie die Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Meditation helfen dagegen. Aber auch eine „Pufferzone“ zwischen den Erledigungen des Tages und dem Einschlafen kann helfen, z.B. wenn man noch 1 Stunde gemütlich ein Buch liest, bevor man zu Bett geht. Wenn man 1 Stunde früher aufhört zu arbeiten, gibt man dem eigenen Körper Zeit, den Schalter umzulegen.
- Körpertemperatur absenken
Unser Körper muss seine Kerntemperatur vor dem Schlafengehen um 1 Grad absenken. Je besser das gelingt, desto besser schlafen wir ein und desto erholsamer ist der Schlaf. Dazu kann man vor dem Schlafengehen ein heißes Bad nehmen oder einfach nur Hände und Gesicht nass machen. Beides hilft dem Körper, Wärme loszuwerden. Weiterhin sollte das Schlafzimmer möglichst kühl sein – 18 Grad sind für die meisten Menschen ideal.
- Licht
Licht ist der wichtigste Zeitgeber für die innere Uhr. Wir sollten versuchen, möglichst bald nach dem Aufstehen ans Sonnenlicht zu gehen – auch bei bewölktem Wetter ist die Helligkeit noch weit höher als bei künstlichem Bürolicht. Alternativ gibt es auch sehr helle Tageslichtlampen für den Frühstückstisch. Pro Tag sollten es mindestens 30 Minuten Tageslicht sein, bei Schlafproblemen eher 60 Minuten. Nach dem Sonnenuntergang sollten wir helle Lichtquellen möglichst reduzieren und die Beleuchtung so gering wie möglich halten. Insbesondere LEDs mit hohem Blaulichtanteil verzögern die Melatonin-Freisetzung. Abends sollten wir am besten moderates, warmes Licht nutzen (z.B. Glühbirnen). Bei Bildschirmen unbedingt einen Blaufilter aktivieren. Idealerweise trotzdem lieber ein handfestes Buch lesen –Smartphones und Tablets in den letzten Stunden vor dem Schlaf möglichst nicht mehr anfassen.
- Alles auf Schlaf trimmen
Alles in ihrer Schlafumgebung sollte ihrem Körper nur eine einzige, glasklare Botschaft senden: „Jetzt ist Schlafenszeit“. Deshalb sollte man alles, was nicht mit Schlaf zu tun hat, aus dem Schlafzimmer verbannen, z.B. Fernseher, Computer, Smartphone. Im Bett darf man nur zwei Dinge tun: Schlafen und Sex. TV und Essen sind tabu – das sendet eine falsche Nachricht an unser Gehirn. Außerdem sollten wir das Bett auch nicht mit dem Wachliegen konditionieren – wenn man nach 20 Minuten wachliegen immer noch nicht eingeschlafen ist, sollte man aufstehen und etwas Entspannendes tun (lesen, Kreuzworträtsel), bis man wieder müde wird. Wer nachts zu oft auf die Uhr schaut und sich dadurch Gedanken macht, sollte den Wecker weit genug wegstellen und umdrehen. Das Schlafzimmer sollte möglichst ruhig sein, sodass keine lauten Geräusche den Schlaf stören können. Naheliegender weise sollte das Bett ein Ort sein, an dem man sich wohlfühlt, und Matratze und Kissen möglichst bequem. Alles, was wir im eigenen Schlafzimmer wahrnehmen können, sollte nur eine Message haben: „schlafen“.
3 unverzichtbare Tipps für einen guten Schlaf (minimalistisch)
- Feste Schlafroutine
„Wenn Sie von diesen zwölf Tipps nur einen einzigen verinnerlichen und beherzigen, dann sollte es dieser sein“, betont Walker. Die Basis eines gesunden Schlafs besteht darin, seinen Organismus unmissverständlich auf einen festen, unveränderlichen und niemals schwankenden Rhythmus von Schlafenszeit und Aufweckzeit zu konditionieren. Dazu sollte man eine feste Zeit zum Schlafengehen bestimmen und eine feste Zeit zum Aufstehen. Diese Zeiten sollte man immer einhalten, zur Not mit Wecker (auch abends!). Diese Struktur soll auch am Wochenende eingehalten werden, damit der Organismus keine „mixed signals“ bekommt. Die genauen Zeiten sollten so gewählt sein, dass sie der eigenen Genetik entsprechen, also dem eigenen Chronotypen (Eule vs. Lerche) bzw. dem individuellen zirkadianen Rhythmus sowie dem eigenen Schlafbedürfnis (Anzahl der Stunden). Falls möglich, sollte man externe Erfordernisse wie den Beginn der eigenen Arbeitszeit nach seinen Schlafenszeiten richten (z.B. wenn man Gleitzeit hat oder selbstständig ist), nicht umgekehrt. Zu den festen Schlafenszeiten sollte man sich auch ein Ritual angewöhnen, das dem Körper schon möglichst früh signalisiert, dass bald der Schlaf kommt. Dieses Ritual sollte immer dieselbe Abfolge haben, z.B.: 23:00 Tür abschließen, 23:05 Zähneputzen, 23:10 lesen, 23:30 Dankbarkeitstagebuch machen, 23:40 Licht ausmachen und schlafen. Dadurch konditioniert man den Körper auf einen festen Ablauf, und bereits beim Zähneputzen weiß er, wo die Reise hingehen soll und kann sich besser darauf einstellen – das Einschlafen fällt leichter.
- Gutes tun: Sport, Entspannung, Temperatur
Wer sich jeden Tag mindestens 30 Minuten bewegt, schläft nachts besser und erholsamer. Dafür muss es kein hochintensiver Sport sein. Wichtig ist, dass zwischen dem Ende des Sports und der Schlafenszeit mindestens 2-3 Stunden liegen, damit der Körper den durch Sport verursachten Anstieg der Körpertemperatur wieder ausgleichen kann, und schließlich die Körpertemperatur noch um 1 Grad absenken kann, was das Einschlafen erleichtert und den Schlaf verbessert.
Ein überaktives sympathisches Nervensystem ist der physiologische Hauptgrund für Schlafschwierigkeiten. Wenn wir angespannt sind, unter Stress stehen und uns Sorgen machen, sind wir nicht gut für den Schlaf vorbereitet. Entspannungsübungen wie die Progressive Muskelentspannung, Autogenes Training oder Meditation helfen dagegen. Aber auch eine „Pufferzone“ zwischen den Erledigungen des Tages und dem Einschlafen kann helfen, z.B. wenn man noch 1 Stunde gemütlich ein Buch liest, bevor man zu Bett geht. Wenn man 1 Stunde früher aufhört zu arbeiten, gibt man dem eigenen Körper Zeit, den Schalter umzulegen.
Unser Körper muss seine Kerntemperatur vor dem Schlafengehen um 1 Grad absenken. Je besser das gelingt, desto besser schlafen wir ein und desto erholsamer ist der Schlaf. Dazu kann man vor dem Schlafengehen ein heißes Bad nehmen oder einfach nur Hände und Gesicht nass machen. Beides hilft dem Körper, Wärme loszuwerden. Weiterhin sollte das Schlafzimmer möglichst kühl sein – 18 Grad sind für die meisten Menschen ideal.
- Schlechtes vermeiden: Essen, Trinken, LEDs
Vor dem Schlafengehen sollten wir große und schwere Mahlzeiten vermeiden. Ein leichter Snack ist okay, denn auch ein Hungergefühl kann uns das Einschlafen erschweren. Wenn wir aber zu viel essen, dann stört die Verdauung unseren Schlaf. Wer nachts oft aufs Klo muss, sollte abends nicht allzu viel trinken – am Tag dafür umso mehr.
Wer Schlafprobleme hat, sollte auf Kaffee, Koffein und Nikotin möglichst ganz verzichten. Die Halbwertszeit von Koffein beträgt 6 Stunden, sodass von der Tasse Kaffee am Nachmittag immer noch 50% im Blut sind, wenn wir schlafen wollen. Aber auch von der Tasse früh am Morgen sind noch ¼ im Körper, wenn wir zu Bett gehen. Auch Nikotin erschwert den Schlaf – Raucher schlafen schlechter und wachen Nikotinentzugs oft zu früh am Morgen auf.
Alkohol fördert nicht das Einschlafen, sondern betäubt das Gehirn so lange, bis wir das Bewusstsein verlieren – dieser Zustand sieht auf dem EEG ganz anders aus als natürlicher Schlaf. Alkohol macht nicht müde, sondern narkotisiert. Außerdem schlafen wir bei Alkohol oberflächlicher und weniger erholsam, wir wachen häufiger auf (nicht nur wegen des Harndrangs) und haben deutlich weniger REM-Schlaf.
Licht ist der wichtigste Zeitgeber für die innere Uhr. Nach dem Sonnenuntergang sollten wir helle Lichtquellen möglichst reduzieren und die Beleuchtung so gering wie möglich halten. Insbesondere LEDs mit hohem Blaulichtanteil verzögern die Melatonin-Freisetzung. Abends sollten wir am besten moderates, warmes Licht nutzen (z.B. Glühbirnen). Bei Bildschirmen unbedingt einen Blaufilter aktivieren. Idealerweise trotzdem lieber ein handfestes Buch lesen –Smartphones und Tablets in den letzten Stunden vor dem Schlaf möglichst nicht mehr anfassen.
To-Do-Liste für einen guten Schlaf (Bullet Points)
Und zu guter Letzt: So sollte man in den Tag starten
- morgens etwas Schönes vornehmen, damit die Motivation zum Aufstehen höher ist (Frühstück, Kaffee, Musik, etc.)
- Körperliche Bewegung und Sport fährt das Herzkreislauf-System hoch
- Sport am besten im Freien, denn natürliches Sonnenlicht möglichst früh am Morgen macht wach und verbessert den Schlaf in der Folgenacht; alternativ eine helle Tageslichtlampe am Frühstückstisch nutzen
- Wechselwarme Duschen machen wach
10 Tipps für besseren Schlaf