Kurzzeitige Schlafstörungen erleben alle Menschen. Wer über ein paar Tage oder Wochen nicht gut schlafen kann, hat nicht direkt eine Schlafsstörung. Typische Anlässe für vorübergehende Schlafschwierigkeiten sind etwa Stress auf der Arbeit hat, Sorgen um die eigenen Kinder macht, Trennung und Scheidung, Tod einer nahestehenden Person, eine anstehende Prüfung oder körperliche Schmerzen. Sind die Anlässe einmal vorüber, gehen auch die Schlafschwierigkeiten wieder weg. Eine chronische Schlafstörung hingegen bleibt – und entwickelt sich meistens aus einer vorübergehenden Schlafstörung.

Schlafstörungen

Es gibt über hundert bekannte Schlafstörungen. Die wichtigste und häufigste ist die „Insomnie“. Aber auch der „Somnambulismus“ ist nicht selten.

Schlafstörung

Somnambulismus

Zur Definition liest man bei Schlafforscher Prof. Matthew Walker: „Der Begriff »Somnambulismus« bezeichnet Störungen des Schlafes (somnus), die mit einer Form der Bewegung (ambulation) einhergehen. Dazu gehören Erscheinungsformen wie Schlafwandeln, Sprechen im Schlaf, Essen im Schlaf, das Verfassen von Texten im Schlaf, Sex im Schlaf und in sehr seltenen Fällen sogar Totschlag im Schlaf.“ (Walker 2018: 322)

Überraschenderweise finden diese Ereignisse nicht im REM-Schlaf statt – die Verhaltensweisen sind also keine Ausführung eines entsprechenden Traums, den die Person gerade erlebt. Vielmehr finden solche „Verhaltensweisen“ in den tiefsten Non-REM-Schlafphasen statt – also komplett traumfrei. Die Ursachen dieser Schlafstörung sind noch nicht wirklich bekannt; eine Diagnose wird in der Regel im Schlaflabor gestellt, wo neben Elektroden für die Aufzeichnung der Gehirnwellen auch eine Infrarot-Kamera zur Aufzeichnung evtl. Bewegungen zum Einsatz kommt. Schlafforscher können hier live beobachten, wie die Person gleichzeitig tief schläft (das zeigen die Gehirnwellen) und ihr Körper wie im Wachzustand einfache Routinen ausführlichen kann.

Auch wenn das überraschend sein mag, treten viele solcher Verhaltensweisen auch bei gesunden Schläfern auf:

„Besorgte Schlafwandler […] möchte ich auch darauf hinweisen, dass die meisten Fälle von Somnambulismus (zum Beispiel Schlafwandeln, Sprechen im Schlaf) harmlos sind und keine Gegenmaßnahmen erfordern. In der Regel erfolgt eine medizinische Behandlung nur dann, wenn der betroffene Patient oder seine Betreuer, sein Partner oder (bei Kindern) ein Elternteil den Eindruck hat, die Gesundheit leide darunter, oder es liege ein Risiko vor.“ (Walker 2018: 325)

Insomnie

Die Insomnie ist die häufigste aller Schlafstörungen. Aber auch wenn viele Menschen darunter leiden – geschätzt etwa 5-10% der Bevölkerung –, glauben auch viele Menschen zu Unrecht, davon betroffen zu sein. Denn Insomnie bedeutet nicht, dass man an Schlafmangel leidet, wenn man diesen dadurch beheben könnte, dass man sich mehr Zeit zum Schlafen einräumt. Wer also zu wenig schläft, weil er zu spät ins Bett geht bzw. zu früh aufstehen muss, leidet erstmal nicht an Insomnie. Auch wer arbeits- oder stressbedingt mal für einige Tage schlecht schläft, leidet nicht an dieser Störung.

Bei der Insomnie sind Betroffene nämlich nicht (mehr) in der Lage, zu schlafen – selbst wenn sie sich ausreichend Zeit dafür nehmen. Es gelingt nicht mehr, in der grundsätzlich ausreichenden Zeit im Bett auch eine ausreichende Menge an Schlaf zu finden – bzw. eine gute Schlafqualität (erholsamer Schlaf) zu erreichen.

Einschlaf- und Durchschlafstörungen

Die Insomnie lässt sich in zwei Hauptarten unterteilen: Einschlafstörungen und Durchschlafstörungen – und so manch Unglücklicher hat beides zusammen.

Für die Diagnose einer Insomnie muss ein Patient laut Walker mehrere Kriterien erfüllen:

  • biologisch (z.B. als Folge einer anderen Erkrankung wie Parkinson)
  • medizinisch (z.B. Nebenwirkungen von Medikamenten wie Asthmamittel)
  • verhaltensbedingt (z.B. Konsum von Koffein, Zigaretten, Alkohol)
  • umweltbezogen (z.B. eine falsche Zimmertemperatur; oder zu viel helles Licht am Abend oder in der Nacht)
  • psychologisch (Sorgen; Ängste)

Somnologe Dr. Hans-Günther Weeß resümiert: Insgesamt ist der vermehrte Arbeitsstress „für 28 Prozent der Deutschen der Hauptgrund für schlechten Schlaf.“ (Weeß 2018)

So entwickelt sich eine Schlafstörung

„Insomnie“ ist eine Diagnose, die nur gestellt wird, wenn organische oder psychische Ursachen der Schlafstörungen ausgeschlossen sind. Wie aber entsteht eine Insomnie dann überhaupt? Meistens steht sie am Ende eines Teufelskreises, bei dem aus ganz normalen vorübergehenden Schlafproblemen (z.B. aufgrund von Arbeitsstress, Schichtarbeit, familiären Sorgen) eine chronische Schlafstörung wird. Diese Chronifizierung ist sozusagen eine Kettenreaktion, bei der ein Problem das nächste nach sich zieht.

Die Ursache der meisten Schlafstörungen

Schaut man auf die biologische Ebene, findet man bei nicht-organisch bedingten Schlafstörungen wie der Insomnie meistens die gleiche Ursache, nämlich ein überaktives sympathisches Nervensystem.

Dieses benötigen wir für Flucht- und Kampf-Reaktionen. Ganz offensichtlich ist es für das Schlafen eher hinderlich, denn dabei wird der Stoffwechsel gesteigert, die Körpertemperatur erhöht (diese muss zum Einschlafen aber im Gegenteil um 1 Grad abnehmen) und das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, was den Herzschlag beschleunigt.

Außerdem werden im Gehirn genau jene Regionen aktiviert, die bei gesunden Schläfern zur Förderung des Schlafs heruntergefahren werden: Amygdala (Emotionszentrum), Erinnerungen (Hippocampus) und die Regionen im Stammhirn, die für unsere Aufmerksamkeit sorgen. Bei Insomnie-Betroffenen passiert genau das nicht: Die Bereiche bleiben aktiv, werden also nicht heruntergefahren – und das erschwert den Schlaf. Außerdem bleibt bei den Betroffenen auch der Thalamus „offen“ für Sinneseindrücke aus der Umwelt – dieser muss aber „geschlossen“ bzw. nach Innen gewendet sein, damit wir die Welt um uns herum vergessen und in den Schlaf finden.

Schlafstörung und Stress

Schlafforscher Walker zieht hier den schönen Vergleich mit einem Laptop, den man zwar zuklappt, aber der nicht in den Ruhemodus wechselt, weil im Hintergrund noch Prozesse aktiv sind, die nicht beendet werden können – also läuft der Laptop weiter.

Ein überaktives sympathisches Nervensystem führt aber auch dazu, dass, wenn man endlich in den Schlaf gefunden hat, der Tiefschlaf flacher und der Traumschlaf fragmentierter ist. Die Auswirkungen: Auch bei ausreichend Schlafenszeit sind Insomnie-Patienten morgens nicht erholt und ausgeruht, und auch die Leistungsfähigkeit sowie die emotionalen Kompetenzen sind beeinträchtigt. Daraus folgt eine wichtige Konsequenz:

Insomnie ist eine Störung, die die Betroffenen nicht nur in der Nacht beeinträchtigt, sondern 24 Stunden am Tag.

Bei Verdacht auf Schlafstörung: Diagnosen darf nur eine Ärztin stellen!

Kein Internet-Test kann Schlafstörungen diagnostizieren – das ist Sache eines Arztes (z.B. Facharzt für Schlafmedizin). Auch die Selbstdiagnose ist mit großer Vorsicht zu genießen.

Schlaf-Experte Weeß empfiehlt, bei der Suche nach professioneller Hilfe zunächst den Hausarzt anzusprechen und über mögliche Optionen zu sprechen: „Fachärzte, Psychotherapeuten, eine Schlaftherapiegruppe oder ein Aufenthalt im Schlaflabor“ (Weeß).

Vor der Verordnung von Schlafmitteln sollten unbedingt organische Ursachen ausgeschlossen sein. Weeß empfiehlt, vorher auch verhaltenstherapeutische Techniken einzusetzen: „Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass bei Ein- und Durchschlafstörungen die Verhaltenstherapie das Mittel der Wahl ist.“ (Weeß 2018)

Schlafzentren

Schlafforscher Walker empfiehlt allen, die unter Schlafstörungen leiden und sich professionelle Hilfe suche möchten, die Website der Deutschen Stiftung Schlaf, auf der es Infos zu Schlafzentren in ganz Deutschland gibt.

Spezialisierte Kliniken (stationär)

Seit einigen Jahren gibt es in Deutschland einige Kliniken, die sich auf Schlafstörungen spezialisiert haben und stationäre Aufenthalte für Patienten mit schweren und chronischen Schlafstörungen anbieten. Eine Liste der Kliniken findet man laut Weeß unter www.dgsm.de.

Schlaflabor

Bei einer unklaren und/oder chronischen Schlafstörung empfehlt Weeß eine Untersuchung im Schlaflabor – zur High-End-Diagnostik und ggf. auch Therapie.

Literaturquellen

Walker, Matthew (2018): Das große Buch vom Schlaf. Die enorme Bedeutung des Schlafs – Beste Vorbeugung gegen Alzheimer, Krebs, Herzinfarkt und vieles mehr (Goldmann Verlag). Kindle-Version.

Weeß, Hans-Günter (2018): Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens. Kindle-Version.

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