Menschen sind verschieden. Das gilt auch für den Schlaf.
Obwohl wir alle einen fixen 24-h-Rhythmus haben, sind die jeweiligen Startpunkte für Schlaf und Wachsein von Mensch zu Mensch verschieden. Das betrifft auch die Zeitpunkte unserer maximalen Leistungsfähigkeit: Manche haben ihr Leistungshoch schon vormittags, andere erst gegen Abend.
Es gibt drei verschiedene Schlaftypen. Etwa 40% der Bevölkerung sind Morgenmenschen, 30% sind Abendmenschen, und die restlichen 30% liegen irgendwo dazwischen.
Morgenmenschen: die Lerchen
Morgenmenschen sind schon früh am Tag besonders wach und leistungsfähig. Sie kommen früh morgens gut aus dem Bett. Daher werden diese Schlaftypen auch oft als Lerchen bezeichnet. Abends hingegen können sie nicht lange wach bleiben.
Abendmenschen: die Eulen
Abendmenschen kommen im Gegensatz zu Morgenmenschen so früh morgens nicht gut aus dem Bett und sind in der Zeit nach dem Aufstehen noch nicht richtig auf Touren, weil ihr präfrontaler Kortex zu dieser Zeit noch nicht arbeiten will. Dafür sind sie abends länger fit und leistungsfähig, weshalb man diese Schlaftypen auch Eulen nennt. Sie können gar nicht so früh einschlafen wie die Lerchen, auch wenn sie sich pflichtbewusst bemühen. Weil sie erst recht spät einschlafen können, stehen Abendmenschen nicht gerne früh auf.
Schlaftypen als Chronotypen
Die drei verschiedenen Typen von Menschen werden als Chronotypen bezeichnet (von altgriechisch „chronos“; deutsch „die Zeit“). Welche Menschen welchem Chronotyp angehören, ist genetisch vorherbestimmt. Dies ist keine freie Entscheidung und auch nicht veränderbar – auch beim „besten Willen“ nicht. Das wird zumindest den Eulen aber zum Verhängnis, weil unsere Gesellschaft eine „frühere“ Lebens- und Arbeitsweise erwartet. Deshalb gelten Eulen oft als faul, nur weil sie später aufstehen wollen bzw. müssen. Den meisten Eulen tut man in einem typischen Arbeitsverhältnis Gewalt an und zwingt sie zu einem unnatürlichen Rhythmus, der erstens dafür sorgt, dass die Arbeitsleistung deutlich beeinträchtigt wird; und zweitens dazu führt, dass Eulen häufiger unter gesundheitlichen Beschwerden wie Depressionen, Angstzuständen, Diabetes, Krebs, Herzinfarkten und Schlaganfällen leiden. Schlafforscher Prof. Matthew Walker leitet daraus eine gesellschaftliche Verantwortung ab:
„Unsere Gesellschaft muss sich in dieser Hinsicht ändern und Möglichkeiten schaffen, die den jeweiligen Bedürfnissen Rechnung tragen, so wie es auch bei anderen körperlich bedingten Unterschieden (zum Beispiel Sehbehinderungen) der Fall ist. Wir brauchen flexiblere Arbeitszeiten, die besser auf die verschiedenen Chronotypen abgestimmt sind und nicht nur einem einzigen Extrem entgegenkommen.“ (Matthew Walker, 2018: Das große Buch vom Schlaf, S. 36, Kindle-Version)
Auch Schlafexperte Dr. Hans-Günter Weeß kritisiert, „dass Arbeit und Schule in unserer Gesellschaft zu früh beginnen“. Etwa 80% der Deutschen „haben nach ihrer inneren Uhr Bettzeiten zwischen 23.30 Uhr und 1 Uhr am Abend und Aufstehzeiten zwischen 7.30 Uhr und 9 Uhr am Morgen.“ (vgl. Hans-Günter Weeß, 2018: Schlaf wirkt Wunder: Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens. Kindle-Version)
Nur für 1/6 der Bevölkerung sei der frühe Arbeitsbeginn um 6 oder 7 Uhr biologisch unbedenklich.
Von wann bis wann schlafen die einzelnen Typen?
In Anlehnung an Weeß (2018) lässt sich folgende grobe Einteilung vornehmen:
Schlaftyp | Anteil der Bevölkerung | Schlafenszeiten |
---|---|---|
Extreme Frühtypen | 15% | 22:00 – 06:00 Uhr |
Frühtypen | 30% | 00:00 – 08:00 Uhr |
Normal-/Mischtypen | 25% | 01:00 – 09:00 Uhr |
Spättypen | 15% | 02:00 – 10:00 Uhr |
Extreme Spättypen | 10% | 04:00 – 12:00 Uhr |
Arbeitszeiten, die sich nach Schlaftypen richten
Bald wird es sich schon kein Unternehmen mehr leisten können, unausgeschlafene Mitarbeiter zu beschäftigen. Google ist allen anderen hier wieder um Lichtjahre voraus. Das Unternehmen bietet flexible Arbeitszeiten, die dieses Adjektiv auch verdienen; dort richtet sich die Arbeitszeit nach dem Chronotyp des Mitarbeiters – nicht andersrum. Und dort darf man während der Arbeitszeit schlafen – damit die Produktivität steigt und die Fehltage sinken.
Macht Google das, weil das Unternehmen so vorbildlich und fürsorglich gegenüber seinen Mitarbeitern ist? Weil Google ein philanthropisches Vorbild für uns alle ist? Ich glaube es kaum. Google ist ein Datenkonzern. Google folgt keinen althergebrachten Glaubenssätzen, wie man ein Unternehmen führen sollte. Sie schauen sich an, was tatsächlich funktioniert – durch Analyse großer Datenmengen. Wissenschaft und Datenlage sind eindeutig:
Übermüdete Mitarbeiter arbeiten länger und schaffen trotzdem weniger; sie machen mehr Fehler, sind häufiger und länger krank; finden keine Innovationen mehr; und glauben dabei auch noch, dass sie Top-Performer sind.
Mit anderen Worten: Wenn ein Unternehmen heute müde ist, wird es in naher Zukunft tot sein. Es liegt im eigensten Interesse eines Unternehmens, die Unternehmensführung nicht auf Basis altbackener, ungeprüfter, nachweislich unwahrer und meist auch recht archaischer Prinzipien zu gestalten.
Insofern muss man das Thema Schlaf gar nicht moralisch angehen, man muss gar nicht alle Todesopfer beklagen, die Schlafprobleme kosten. Man kann einfach ganz profit-orientiert sagen: Es ist einfach zu teuer. Es kostet uns zu viel Geld. Wir haben Wettbewerbsnachteile gegenüber Konzernen wie Google.
Dasselbe könnte unsere Gesellschaft sagen: Haben wir wirklich Lust, so viel mehr Steuern zu bezahlen, um all die Folgeschäden und Gesundheitskosten aufzubringen, die uns Schlafmangel Jahr um Jahr auferlegt? Für Schlafforscher Walker ist das Problem der Schlaflosigkeit „die größte Herausforderung für die öffentliche Gesundheit, der sich die Industrienationen im 21. Jahrhundert stellen müssen.“ (Matthew Walker, 2018: Das große Buch vom Schlaf, S. 464, Kindle-Version)
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