„Glücklich ist, wer seine wichtigsten Ziele erreicht“ – das zumindest behauptet die Zieltheorie des Glücks. Das ist durchaus einleuchtend! Wenn wir an eine Zeit in unserem Leben denken, in der es uns besonders gut ging, dann lag das oft daran, dass wir in dieser Zeit unsere Ziele erreicht haben bzw. auf einem guten Weg dorthin waren. Und in Zeiten, wo es uns besonders schlecht ging, lässt sich meistens das Gegenteil feststellen: in solchen Zeiten waren wir frustriert, weil wir unsere Ziele im Leben nicht erreicht haben oder aus irgendwelchen Gründen einfach nicht erreichen konnten. Insofern hat die Grundaussage der Zieltheorie eine gewisse Überzeugungskraft: Wer seine wichtigsten Ziele verwirklichen kann, der fühlt sich glücklich.
Unser Leben findet zu 99% auf Wegen statt
Aber es gibt einen Haken an der Sache. Wie alle drei großen Glückstheorien hat auch die Zieltheorie so ihre Probleme. Am meisten sollte uns folgendes zu denken geben: Die Zieltheorie redet die ganze Zeit nur über Ziele – aber unser Leben findet doch zu 99% auf Wegen statt! Die überwiegende Zeit sind wir dabei, Wege zu gehen; die Zeitspanne, in der wir uns am Zielort aufhalten, ist vergleichsweise kurz. Denke doch nur mal an deine Schulzeit: Wie viele Stunden deines Lebens hast du in Klassenräumen verbracht – und wie lange hat der Moment gedauert, in dem du gefeiert hast, dass du es endlich hinter dir hast? Allein durch Ziele erreichen glücklich werden zu wollen wird somit selbst zu einem Ziel, das nie erreicht wird.
Erfolgreich – aber unglücklich
Menschen können also durchaus unglücklich werden, selbst wenn sie ihre Ziele erreichen. Wenn jemand seine komplette Kindheit opfert, um später ein Spitzensportler zu werden, dann spielt er vielleicht irgendwann in der ersten Liga, hat also äußerlich gesehen „Erfolg“. Aber er wird wahrscheinlich trotzdem kein schönes Leben geführt haben.
Ich spule bei einem neuen Film immer vor und schaue mir nur die Schluss-Szene an – dann bin ich schneller fertig!
Ziele sind also wichtig, aber sie führen nicht automatisch zum Glück. Denn unser Leben findet vor allem auf dem Weg zum Ziel statt. Nur wem es gelingt, diesen Weg auch zu genießen, wird ein gutes Leben haben. Alan Watts hat einmal gesagt, dass das Leben im Kern wie eine Symphonie ist: Für das Orchester geht es nicht darum, möglichst schnell wieder mit der Musik fertig zu sein. Es geht ja niemand ins Konzert, um nur den Schlussakkord zu hören. Und es wäre unsinnig, einfach schneller zu spielen, nur weil man dann schneller am Ziel ankommt. Musik „spielt“ man – aber man „arbeitet“ sie nicht ab. Unser Leben – sagt Watts –, ist wie Musik: Es geht nicht um das Ziel der Reise, sondern um das Reisen selbst.
Ziele dienen der Orientierung – Wege der Erfüllung
Ziele führen daher nicht direkt zum Glück, sondern dienen vielmehr der Orientierung. Wir brauchen nämlich auf der Reise das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Wer weiß, dass er in die richtige Richtung fährt, kann die Fahrt viel besser genießen als jemand, der nicht weiß, wo er ist und wohin er gerade fährt. Ziele führen also nicht unbedingt zu mehr Glück, sondern nur zu mehr Erfolg. Das sind dann Menschen, die offenbar alles haben – alle ihre wichtigen Ziele erreichen –, und trotzdem unglücklich sind. Für das Glück sind Wege nämlich viel entscheidender, denn Wege führen selbst dann zu einem erfüllten Leben, wenn man nie ankommt. Solange wir das Gefühl haben, in die richtige Richtung zu fahren und Fortschritte zu machen, geht es uns gut. Ohne diese Richtung aber fehlt uns der Sinn.
Viel wichtiger als das Ziel ist das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.
Wir können also festhalten, dass für das zieltheoretische Glück nicht nur die Ziele, sondern viel mehr noch die Wege entscheidend sind. Auswirkungen auf dein Glück hat daher nicht primär die Erreichung des Ziels, sondern die Zeit auf dem Weg dorthin.
An diesen Gedanken muss man sich erst einmal gewöhnen, denn eigentlich setzen wir Ziele ja normalerweise, um sie auch zu erreichen – und nicht, weil der Weg dorthin so schön ist. Ich persönlich komme aber immer mehr zu der Überzeugung, dass ein nicht erreichtes Ziel mit schönem Weg das eigene Glück viel stärker boosten kann als ein erreichtes Ziel mit unschönem Weg. Klingt zugegeben komisch – am besten findest du deine eigene Antwort durch Ausprobieren und Auswerten selbst heraus!
Glückstraining: Nicht nur Ziele erreichen – sondern Wege verschönern!
Als Glückstraining kannst du dich also nun fragen:
Dazu ein anschauliches Beispiel: Wenn du eine lange Autofahrt nach Berlin vor dir hast, um dort einen wichtigen Vortrag zu halten und Kontakte zu knüpfen (=Ziel), dann kannst du dich fragen: Wie kann ich eine möglichst tolle Fahrt dorthin haben? Hier ein paar Ideen dazu: Hörbuch hören; über Headset Freunde anrufen; neue Musik entdecken; Konzentrationsfähigkeit trainieren; etwas Leckeres essen oder trinken (Augen auf die Straße!); nachts fahren und die freien Autobahnen nutzen; die Sonne und das Wetter genießen.
Ein zweites Beispiel: Wenn du für eine Prüfung lernst, kannst du dich dabei auf eine sonnige Wiese setzen; gute Musik hören; mit deiner besten Freundin zusammen lernen; mit Bildern und Videos lernen, weil du so mehr Spaß am Lernen hast; dich auf dein Lieblingsthema konzentrieren, weil dich das auch „privat“ interessiert.
Glück = Weg + Ziel
Um dir dabei zu helfen, dein Glück nicht nur durch Ziele, sondern vor allem auch durch Wege zu erreichen, kannst du dich für unsere Online-Videokurs „Glück“ registrieren, der – neben vielen anderen Themen – auch auf die Weg-Problematik eingeht.